Auf kleiner Tour - Die Hamburger Popgruppe Tonbandgerät ist auf dem Sprung in die Musikbranche. Das Abendblatt begleitet die Band.

Hamburg/Wedemark. Regen auf die Bassbox. Regen auf die Gitarrenkoffer. Regen auf die Trommeln und auf den Notfallkoffer. Aspirin ist in der orangen Box, Klebeband und Kotztüte, Nüsse und Sonnencreme. Alles, was die Band brauchen könnte, wenn es wieder losgeht. So wie an diesem Vormittag im Juli. Denn das junge Hamburger Popquartett Tonbandgerät ist für ein kleines Festival bei Hannover gebucht.

Seit fünf Jahren machen sie gemeinsam Musik. Doch momentan passiert im Leben der Band sehr viel mehr als sonst. Die Plattenfirma Universal hat sie unter Vertrag genommen, gerade nehmen sie ihr erstes Album auf. Und jedes Konzert, jede Tour ist nicht nur ein kleiner Umzug, sondern eine neue Hoffnung. Darauf, noch mehr Menschen mit der eigenen Musik zu erreichen. Sie mit einem Lebensgefühl anzustecken, das in den Songs pulsiert, in Versen wie "Auf drei fliegt uns das Leben um die Ohren / wir zwei sind vom Knall endlich wieder wach geworden". Doch vor dem großen Knall, dem Applaus und Erfolg, liegen zig geschleppte Verstärker und sehr viele Kilometer.

Eine Viertelstunde, dann haben die vier ihren Proberaum in Hamm leer und den Transporter voll geräumt. "Sind alle bereit?", fragt Sänger Ole Specht, bevor er den Zündschlüssel dreht. "War ja klar, jetzt wo wir losfahren, hört's auf zu regnen", sagt Sophia Poppensieker. Die Gitarristin hat sich auf der Rückbank eingerichtet.

Ihre Schwester Isa, Bassistin der Band, reicht eine Mix-CD nach vorne. Ihr Beitrag für Juli. "Jeder von uns stellt jeden Monat eine CD mit zehn Songs zusammen", erklärt Schlagzeuger Jakob Sudau. Ein Bandritual. Im Moment läuft noch James Blunt auf N-Joy. Der Sender hat Tonbandgerät mit ihrem Lied "Irgendwie anders" ins Programm genommen. "Wir haben uns aber alle bis jetzt noch nie im Radio gehört", sagt Ole und lenkt den Wagen auf die Autobahn. "Zeit für die CD-Tombola", ruft Isa. Sophias Mix macht das Rennen. Und Cro rappt "Wir waren hier". Bäume wischen vorbei. Heuballen liegen auf der Wiese, als posierten sie für ein Gemälde.

Nach knapp zwei Stunden fahren die vier beim Watervention-Festival in Wedemark vor. Dass da eine Band anrollt, ist bereits von außen zu erkennen. Auf dem Wagen prangt das Logo der VW Soundfoundation, einem Pop-Förderprogramm, an dem Tonbandgerät 2009 teilgenommen hat. Für Auswärtskonzerte können sie sich jederzeit mietfrei einen Bus in Wolfsburg ausleihen. Eine große Hilfe für Musiker Anfang 20.

Es riecht nach Pommes und Brühwurst, als ein Crewmitglied die Gruppe aufs Festivalgelände führt. Die Hauptbühne liegt in einer alten Eissporthalle mit hohen Betonstreben und offenen Seitenwänden, durch die diffus die Sonne fällt. Als Backstageraum dient eine der Umkleiden mit gummiertem Boden und abgeschabten Holzbänken. 70er-Jahre-Flair statt Popstar-Glamour.

"Hat was", stellt Sophia trocken fest, während die anderen den Kühlschrank inspizieren. Limo, Wasser, Bier. "Wolle", der eigentlich Wolfgang Geier heißt und den Sound abmischt, wird mit Umarmungen begrüßt. Der 47-Jährige, der sonst Gruppen wie Madsen zu gutem Live-Klang verhilft, gehört zu dem Team, das um Tonbandgerät wächst. Er klärt die Details mit den Technikern vor Ort, während die Band ihre Ladung hinter die Bühne räumt. Der Bereich gleicht einem großen Materiallager, das mit Aufklebern auf dem Boden markiert ist. Terry Hoax steht darauf. Und Luxuslärm. Die Headliner am Abend.

Das Konzert von Tonbandgerät ist für 16 Uhr angesetzt. Ohne Soundcheck mit einer Viertelstunde Umbauzeit nach der Vorband. "Das ist dann bei den ersten Songs ein Gefühl wie früher, wenn du die Hausaufgaben erst im Schulbus gemacht hast, in der Klasse aber behauptest: Klar bin ich vorbereitet", erzählt Sophia, schaut aber recht gelassen. "Das wird sportlich, ist aber eine gute Fingerübung für später, wenn's auf 'ner großen Bühne schnell gehen muss", erklärt Wolle mit ruhiger Stimme. Eine Tonlage, die in hektischen Momenten gewiss Wunder wirkt.

Vor ihrem Auftritt schlendert die Band noch einmal durch die Halle, die eigentlich 2500 Leute fasst. Bisher sind nur ein-, zweihundert da. Ole schaut ein wenig skeptisch und verschwindet bald wieder nach hinten, um sich einzusingen. Und um Springseil zu springen. Ohne Seil. Isa und Jakob lockern ihre Handgelenke, während Sophia die Gitarren stimmt. Dann ist die Vorgruppe fertig, und alles geht ganz flott: die Geräte auf die Bühne, einstöpseln, kurz testen. Alle streifen sich frische Shirts über. Isa beschriftet, Ole geringelt, Sophia uni, Jakob verwaschen. Es geht los.

Ole blickt über sein Mikro auf sehr viel Raum und sehr wenig Mensch. Doch der Enttäuschung begegnet der Sänger mit einer Charme-Offensive. "Mögt ihr ein bisschen vorkommen, hier ist noch so viel Platz", sagt er und lächelt offen. Tatsächlich laufen einige Mädchen nach vorne. Die Haare in Pferdeschwänzen, die Sommerbeine in kurzen Hosen. Zum Schluss klatschen sie mit, wippen, leuchten. "Doch heute ist für immer / was morgen ist, kein' Schimmer", singt Ole. Und wenn die Band in diesem Heute nur einen Fan gewonnen hat, dann hat es sich gelohnt.

"Es war echt schwierig, das Publikum zu kriegen. Aber wenn ich in ein paar Gesichtern sehe, dass die das cool finden, gibt mir das einen richtigen Push", sagt Ole später beim Essen im Backstage-Bereich. Es gibt Nudeln, Hähnchen und Salat. "Vorm Konzert kann ich nie was essen, da ist mein Magen zu nervös", erzählt der 23-Jährige. Dafür ist die Stimmung jetzt umso entspannter. Sophia holt Feierabendbier, das Adrenalin bricht sich Bahn. Zeit zum Rumalbern, zum Runterkommen.

Vor der Rückfahrt verteilt die Band noch Flyer, Aufkleber und Buttons. Einige Mädchen wollen Autogramme mit Edding direkt auf ihre Arme. Dann geht's auf die Autobahn. Die Bäume wischen wieder vorbei. Und auch die Heuballen liegen noch da. Aber die Band, sie hat einen weiteren Schritt gemacht.

Zurück in Hamburg, als die vier Freunde gerade den Bus ausladen, bekommt Ole einen Anruf auf dem Handy. "Sie spielen uns im Radio!" Alle rennen zum Wagen, Ole dreht den Zündschlüssel. Und da tönt es aus den Autoboxen: "Irgendwie anders". Irgendwie perfekt.

Tonbandgerät live: 8.3.2013, Uebel & Gefährlich; Bandwebsite: www.musikvomband.de

Alle bisherigen Teile der Abendblatt-Serie zu Tonbandgerät unter www.abendblatt.de/tonbandgeraet