In Hamburg dreht Regisseur Miguel Alexandre für das ZDF den Film “ Ausgeliefert “. Es geht um die zerstörerische Kraft des Stalking.

"Sie sehen wunderschön aus, wenn Sie sich aufregen." Lächeln. Lehrer Bernd Vossler versteht etwas vom Flirten. Sogleich folgt die Einladung zum Rotwein. Dabei will Kollegin Hannah nur wissen, weshalb er ihrem Sohn einen Verweis wegen Disziplinlosigkeit erteilt hatte. Sieht man Matthias Brandt bei den Dreharbeiten zu dieser Szene zu, nimmt man ihm den Charmeur sofort ab. Dass sich dieser Mann zu einem menschlichen Monster entwickeln und Hannah an ihre existenziellen Grenzen bringen wird, können die Lehrerin und der Zuschauer in diesem Moment nicht ahnen.

Seit dem 10. Juli entsteht in Hamburg der ZDF-Psychothriller "Ausgeliefert". Gedreht wurde bereits im Tonndorfer Schwimmbad, in Eppendorf sowie dieser Tage an der Erich-Kästner-Stadtteilschule in Farmsen. Ausgeliefert ist in diesem Fall Hannah, eine selbstbewusste Lehrerin, alleinerziehend mit zwei Kindern, gespielt von Silke Bodenbender. Hannah hat ihr Leben fest im Griff - bis sie sich Hals über Kopf in ihren neuen Kollegen verliebt: Eben jenen Charmeur, über den sie eigentlich kaum etwas weiß.

Vossler ist ein widersprüchlicher Mensch. "Interessante Charaktere sind immer widersprüchlich", sagt Matthias Brandt. Darin lag für ihn der Reiz dieser Rolle. "Ich interessiere mich grundsätzlich sehr für Menschen. Ich möchte gerne wissen, wie sie ticken, wie sie eben nicht ticken. Oder wie sie austicken", sagt der Schauspieler, der schon Mörder und Opfer gespielt hat, Entführer und Anwälte. Dafür ist Bernd Vossler ein geeignetes Studienobjekt. Denn dieser Mann hat ein zweites, ein besonders bösartiges Gesicht.

Stalking ist das große Thema des Films. Für Regisseur Miguel Alexandre, der die zerstörerische Wucht dieser Nachstellungen in Szene setzt, liegt das Problem darin, "dass man Stalking relativ ohnmächtig gegenübersteht. Und dass das Gesetz einen nicht wirklich schützt." Es geht Alexandre darum auszuloten, was mit Menschen passiert, die in ihren Grundfesten erschüttert werden.

Hannahs Leben und das ihrer Kinder gerät derart aus der Bahn, dass sie nur noch in der Flucht einen Ausweg sieht. "Hannah ist eine normale, gestandene Frau in meinem Alter. Es sind die emotionalen Fallhöhen, die mich bei ihr interessieren und die ich so noch nicht gespielt habe", sagt Hauptdarstellerin Bodenbender. Bedarf dieses Spiel einer speziellen Vorbereitung? Nein, sagt Bodenbender, an eine Figur gehe sie "ganz pur und von mir aus heran".

Obwohl sie zu den meistbeschäftigten deutschen Schauspielerinnen gehört, preisgekrönt ist, wirkt sie an diesem Tag beinahe ein bisschen aufgeregt. Schauspieler sind hinter der Kamera eben auch nur Menschen - auch das macht Silke Bodenbender sympathisch. Beim Essen sitzt sie mit Produzentin Jutta Lieck-Klenke bei den rund 30 jungen Komparsen ihrer Schulklasse, unter ihnen der Sohn des Regisseurs.

Die Hamburger Produktionsfirma Network Movie, Regisseur Miguel Alexandre und Silke Bodenbender setzen mit "Ausgeliefert" ihre erfolgreiche Zusammenarbeit aus dem Jahr 2009 fort, als das Drama "Eine Frage des Vertrauens" entstand. Auch hier verkörperte Bodenbender eine starke Frau, die jahrelang als Ärztin ohne Approbation Kinder behandelte. Davon, dass die Schauspielerin auch dieses Mal überzeugen wird, geht Alexandre fest aus. Er beschreibt sie als "totalen Streber - und zwar im besten Sinne". Die Kombination mit Matthias Brandt, den der Regisseur für seine "unglaubliche Natürlichkeit" lobt, verspricht ein intensives Schauspiel. Die natürliche Gelassenheit des Schauspielers lässt sich auch am Set beobachten. Ein Matthias Brandt lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, nicht durch den Fotografen, nicht durch die Reporterin. Ein Profi eben.

Einen Sendetermin für "Ausgeliefert" gibt es noch nicht. Die Dreharbeiten in Hamburg dauern noch bis Mitte August. Am Strand von Dänemark wird es schließlich zum Showdown kommen. Alexandre, der zum ersten Mal neben der Regiearbeit und dem Drehbuch auch die Kamera übernimmt, setzt vermehrt auf den Einsatz der Handkamera, um die klaustrophobische Stimmung zu verdichten. Dementsprechend düster soll der Film später aussehen, der zwischen Drama und Thriller balanciert. Die Idee zu dem Projekt kam ihm und Produzentin Jutta Lieck-Klenke übrigens durch einen Presseartikel. Was unglaublich klingt, ist eben oft doch so ähnlich geschehen.