Im August gastiert die “West Side Story“ in der Staatsoper, wo der Komponist Leonard Bernstein 1978 schon einmal gefeiert wurde.

Hamburg/Berlin. Als sich John Neumeier 1978 der "West Side Story" annahm, galt das als Sensation. Leonard Bernsteins Musical an einem Opernhaus! Der Komponist reiste eigens aus Amerika an, um sich anzusehen, was man in Hamburg aus seinem Broadway-Stück gemacht hatte.

Etwas Großes. Das sagen die, die dabei waren, heute noch.

Jetzt kommt die "West Side Story" wieder in die Hamburgische Staatsoper. Allerdings sieht sie nun wieder so aus wie im Uraufführungsjahr 1957, als die Show am 26. September am Winter Garden Theater in New York erstmals über die Bühne ging und der Geschichte des amerikanischen Musiktheaters damit eine entscheidende neue Wendung verpasste. Auch 2012 wird in der alten Choreografie von Jerome Robbins getanzt. Das ist sozusagen das Markenzeichen dieser Produktion, die von den Machern selbstbewusst als "Das Original" bezeichnet wird. Für die adäquate Einrichtung sorgt seit einer gefühlten Ewigkeit Joey McKneely, der als junger Tänzer zu Robbins' Truppe stieß und nach Robbins' Tod beschloss, sich an die Wiederbelebung der Uraufführungschoreografie zu wagen.

+++ Schöpfer der "West Side Story" mit 93 Jahren gestorben +++

Der Erfolg gab und gibt McKneely recht. Seit der umjubelten Premiere in der Mailänder Scala im Juli 2000 tourt sein "Original" nun schon um die Welt, sogar in Singapur ("Gänsehaut!"), Tokio ("Atemberaubend schön") und Macau ("Brillanter Abend!") ist man schon gewesen. Hamburg gehört tatsächlich zu den letzten blinden Flecken, denn die "50th Anniversary"-Tour streifte 2007/2008 in Deutschland nur Ludwigsburg und Baden-Baden.

War es 1978 für John Neumeier noch extrem schwer, das Stück zu besetzen - die Musicalausbildung steckte damals in Deutschland noch in den Kinderschuhen -, so kann Joey McKneely für seine jeweiligen Neubesetzungen inzwischen aus dem Vollen schöpfen. Für die aktuelle Produktion - Dirigent ist übrigens nach wie vor Donald Chan - gab es Auditions in New York, Chicago und Paris, geprobt wurde im Mai und Juni in der Deutschen Oper Berlin, wo das Deutschland-Gastspiel dann auch - mit Prominenten wie Sky Dumont und Katja Flint auf dem roten Teppich - Ende Juni begann. Die nächste Station ist Leipzig, bevor die "West Side Story" dann in die Hamburger Neustadt kommt.

McKneely ist davon überzeugt, dass das Stück, eine moderne "Romeo und Julia"-Variante, absolut zeitlos geblieben ist und keinerlei Patina angesetzt hat. Beweis: Wo immer er hinkomme, lese er in den Zeitungen von Zusammenstößen zwischen Einheimischen und Zuwanderern, der Clash der Kulturen sei Teil der modernen Zivilisation.

McKneely legt Wert auf die Feststellung, dass die "West Side Story" des 21. Jahrhunderts etwas kantiger und energiegeladener daherkommt als frühere Fassungen. Auf jeden Fall ist sie hoch professionell gemacht und keins der klappernden Umzugsunternehmen, mit denen man es in diesem Genre ab und zu auch mal zu tun kriegt.

Bleibt die Musik, die den jungen Leonard Bernstein 1957 schlagartig weltberühmt machte. Anrührende und mitreißende Songs wie "Maria", "Somewhere", "I Feel Pretty", "Tonight" und, natürlich, "America".

"West Side Story" Hamburgische Staatsoper, 31. Juli bis 26. August. Karten gibt es unter der Abendblatt-Tickethotline T. 30 30 98 98