Der Fotograf Harry Benson hatte sie alle vor der Linse: die Fab Four sowieso, aber auch jeden US-Präsidenten von Eisenhower bis Obama. Nur Putin fehlt.

Hamburg. Wer wie Harry Benson knapp 60 Jahre durch die ganze Welt gereist ist, um Politiker, Musiker, Sportler und Filmstars, Kriege, Attentate und Aufstände zu fotografieren, der muss erst kurz nachdenken, ob er auch mal in Hamburg jemanden im Fokus hatte: "Nastassja Kinski, als sie was mit Roman Polanski hatte, irgendwann Mitte der 70er", knarzt der ergraute Schotte, Jahrgang 1929, mit seiner faszinierenden Stimme. Über der mittleren Tonlage quietschen immer wieder Obertöne hervor und machen den schottischen Akzent erst recht zum Erlebnis. "Hamburg, eine schöne Stadt. Hier sind die Beatles ja erwachsen geworden."

Hier, im Taschen-Store an der Bleichenbrücke, stellt er auch die Luxusedition seines Bildbands "The Beatles 1964-1966" vor. 500 Euro werden für eines der 1764 limitierten Exemplare mit teilweise bislang unveröffentlichtem Material aufgerufen. Geizige Klischee-Schotten würden versuchen, seinen 2003er-Bildband "Once there was a way ... Photographs of the Beatles" für 25 Euro aufzutreiben. Mal so als Tipp. Wie auch immer, der historische Wert dieser Fotos, sowohl für Beatles-Fans als auch für Benson selber, ist unbestritten hoch.

Benson, der von 1954 an für den "Hamilton Advertiser" und anschließend in London für "Daily Sketch" und "Daily Express" fotografierte, wurde 1964 spontan mit den Beatles nach Paris geschickt, um die Euphorie rund um die Fab Four zu dokumentieren. Und da John, Paul, George und Ringo Gefallen an Benson und seinen Bildern fanden, wurde er Teil der Entourage und begleitete die Beatles auf ihre US-Tourneen - vor und hinter den Kulissen erlebte er den Beginn der weltweiten Beatlemania im Februar 1964, als 75 Millionen US-Zuschauer die "Ed Sullivan Show" einschalteten. Und er erlebte ihr Ende 1966 mit, als die Beatles aufhörten, Konzerte zu geben.

"Aber meine Bilder waren ja nur ein Augenblick, der im nächsten Moment schon vorbei war. Die Lieder der Beatles hingegen waren für die Ewigkeit", gibt sich Benson bescheiden. Dabei erlangten auch seine Fotos Berühmtheit. Die spontane Kissenschlacht im Hotel George V in Paris natürlich und ein Treffen mit Cassius Clay, dem späteren Muhammad Ali, 1964 in Miami. Der größte Boxer aller Zeiten traf die größte Pop-Band aller Zeiten, kurz vor ihrer endgültigen Ikonisierung. "Dabei zeigte Ali in jeder Hinsicht, wie schlagfertig er war, machte Witze und kommandierte die Beatles herum. John Lennon war danach stinksauer und gab mir die Schuld", kichert Benson.

Für ihn waren die Beatles-Bilder die Eintrittskarte nicht nur in die USA (er lebt seitdem in New York), sondern auch in die Kreise der Mächtigen. Er arbeitete für "Life", "People", "Architectural Digest" und "Vanity Fair" und bekam die Gelegenheit, jeden US-Präsidenten von Eisenhower bis Obama abzulichten: "Richard Nixon war am umgänglichsten und hatte ... sagen wir mal interessante Ideen", fasst Benson seine Erfahrungen im Weißen Haus zusammen. Wer ihn aber besonders fasziniert, ist Russlands Präsident Wladimir Putin: "Der fehlt noch in meiner Sammlung. Der hat so etwas Finsteres, normalerweise sehen Politiker immer aus wie harmlose Banker. Haben Sie seine Telefonnummer?" Leider nicht.

Das aktuelle Geschäft eines Bildreporters hat sich im Lauf von Bensons Karriere geändert. Als Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy 1968 erschossen wurde, stand Benson mit in der Schusslinie. "Ich bekam den Tunnelblick und habe draufgehalten, ohne nachzudenken." Die professionelle Distanz hat er sich stets erhalten, wenn er Rassenunruhen in den USA, trauernde Väter von Vietnam-Gefallenen, spielende Kinder in Somalia oder die Trümmer des eingestürzten World Trade Centers in den Sucher nahm.

Solche tragischen, aber historischen Exklusivgeschichten sind im Smartphone-Zeitalter nahezu unmöglich geworden. Die Ikone Fotodokument ist Massenware. "Und so wird auch mit ihr umgegangen", grummelt Benson, "die Knebelverträge, die gestellten Posen, das Nachbearbeiten. Und alles gern kostenlos. Ich habe noch nie einen Vertrag unterschrieben." Der 2009 von Queen Elizabeth II. ernannte "Commander of the Order of the British Empire" bleibt sich treu, bevorzugt in Schwarz-Weiß. "Jahrhundertelang gehörte die Farbe den Künstlern. Uns Fotografen gehörte Schwarz-Weiß. Irgendwann haben wir den Künstlern die Farbe geraubt."

Da bleibt nach einem lange Gespräch nur eine Frage: Wer die Beatles, Martin Luther King oder Michael Jackson fotografiert hat, macht der auch Selbstporträts? "Nein, ich sehe doch dämlich aus", sagt er. Aber Kollegen hätten ihn doch fotografiert? "Sicher haben sie das. Und wissen Sie was? Ich sah dämlich aus."

Harry Benson: "The Beatles 1964-1966", Taschen, 272 Seiten, 500 Euro