Zwischen den Schauspielerinnen Elisabeth Schwarz und Patrycia Ziolkowska liegen fast 40 Jahre. Beide brennen für das Theater.

Hamburg. Trifft man Elisabeth Schwarz und Patrycia Ziolkowska in der Weltbühne, dem Thalia-Restaurant, ist man fast bei ihnen zu Hause. Schwarz war 16 Jahre am Thalia-Theater engagiert, Ziolkowska gehört dort seit drei Jahren zum Ensemble. Fast vier Jahrzehnte trennen die beiden Schauspielerinnen. Schwarz, eher leise und ewig jung wirkend, hat mit allen bedeutenden Regisseuren ihrer Zeit gearbeitet, mit Bondy, Zadek, Grüber, Gosch, Flimm, derzeit hat sie Martin Kusej als Gast ans Münchner Residenztheater engagiert. Ziolkowska, jung, kraftvoll, mit schöner Stimme, war schon mit Fatih Akins Film "Auf der anderen Seite" bekannt geworden, bevor sie große Rollen am Schauspiel Köln und am Thalia spielte.

+++ Generationengespräche im Abendblatt-Kulturteil +++

Hamburger Abendblatt : Sie haben eine Gemeinsamkeit. Sie haben beide vor dem Abitur die Schule verlassen.

Elisabeth Schwarz : Weil ich unbedingt auf die Schauspielschule wollte.

Patrycia Ziolkowska : Ich bin auch nach der 12. Klasse abgegangen, weil ich Schauspielerin werden wollte.

Haben Ihre Eltern nicht gemurrt?

Ziolkowska: Im Gegenteil, sowohl meine Eltern als auch einige Lehrer haben mich bei dieser Entscheidung unterstützt. Als ich diese erste und einzige Aufnahmeprüfung in Bochum bestanden hatte, stand die Möglichkeit so klar, offen und zwingend im Raum, dass ich diesem Weg nur folgen konnte.

Schwarz: Meine Eltern haben mich auch unterstützt. Meine Mutter hat mich ein halbes Jahr älter gemacht. Sonst hätte ich noch nicht auf die Münchner Falkenbergschule gedurft. Ich war mit einem sehr kindlichen Gemüt auf der Schauspielschule. Aber mit großer Leidenschaft.

Hat sich denn an der Schauspielausbildung viel geändert?

Schwarz: Wir hatten sehr viel Sprechtraining. Meine Lehrerin hat zu mir gesagt, ich würde nie gut sprechen lernen, weil ich keinen Sprachfehler hatte, gegen den ich anarbeiten musste. Das hat mich geärgert und angespornt.

Ziolkowska: Auch bei uns wurde sehr viel Wert auf Sprecherziehung und auch auf Körpertraining gelegt. Und wir durften schon während der Ausbildung im Schauspielhaus Bochum spielen. Dieser Praxisbezug, unmittelbar, pur in Kontakt zu sein, mit dem Betrieb, diese Wechselwirkung war großartig.

Schwarz: Da sehe ich einen wirklichen Unterschied zu meiner Ausbildung. Wir haben zu den Schauspielern der Kammerspiele aufgeschaut, als wären sie Götter. Der Respekt war riesengroß. Der Unterricht sehr autoritär. Und nie hat uns jemand gesagt, dass wir etwas schon können. Von meinem Jahrgang, auch von dem davor und danach, ist übrigens niemand mehr am Theater. Ich bin fast die Einzige, die noch spielt. Wie ist das bei Ihnen?

Ziolkowska: Die meisten sind ans Theater gegangen. Ich habe nach der Ausbildung zunächst drei Jahre frei gearbeitet, Theater gespielt und Filme gedreht. Ich habe Umwege gemacht, aber keine Ochsentour. Ich wollte in eine Stadt, die mir gefällt. Ich fühlte mich zu jung, um Kompromisse zu machen, mein Erlebnishunger, meine Neugier waren stärker. Mir war mein persönliches Glück wichtiger als Sicherheit. In ein festes gesichertes Engagement zu gehen stand für mich nicht an erster Stelle.

Schwarz: Toll. Ich bin ins erste Engagement, das ich bekommen habe. Ich wollte auch in keiner Kleinstadt leben. Ich wusste dann, ich muss unbedingt sehr gut werden, damit jemand aus einer größeren Stadt auf mich aufmerksam wird. Das war mein Antrieb.

Merken Sie, wenn Sie schlecht sind?

Schwarz: Ja. Körperlich. Es ist ganz schlimm, eine Aufführung 30-mal spielen zu müssen, wenn sie schlecht ist. Das ist, als würde man eine Krankheit mit sich rumschleppen.

Ziolkowska: Ich merke, wenn ich einen schlechten Tag habe. Oder wenn eine Arbeit noch nicht ausgereift ist. Interessanterweise entstehen auch aus solchen negativen Empfindungen wie etwa Wut, Aggression, Zweifel, Unlust, Angst sehr kreative Prozesse.

Schwarz: Ich würde nie etwas machen, wenn ich nicht verstehe, warum ich das machen soll. Ich habe aber eine Liste von Regisseuren, mit denen ich nie wieder arbeiten möchte.

Wer steht da drauf?

Schwarz: Das verrate ich nicht.

Was nervt Sie an Ihrem Beruf?

Ziolkowska: Es fehlt oftmals freie Zeit für andere Dinge im Leben, die außerhalb des Theater-Mikrokosmos liegen. Zuweilen steht man auch mit Fieber auf der Bühne, weil es nicht anders geht. Der Druck und die Aufregung, die aber gleichzeitig auch Antrieb und Motor sind, also was durchaus Positives, kosten Kraft und Nerven. Sie erzeugt aber auch Energie und gibt dir Kraft in Form von Adrenalin zurück. Trotzdem ist sie kurz vor einem Auftritt manchmal unerträglich.

Schwarz: Manchmal wünsche ich, sie gehörte weniger dazu. Mich nervt aber eher die Abhängigkeit. Man braucht gute Regisseure, und diese guten Regisseure müssen uns wollen. Es gibt ein paar Regisseure, mit denen ich sehr gerne arbeiten würde, aber es ergibt sich nicht immer. Manchmal sitzt man wie im Wartesaal. Auch wenn man fest engagiert ist.

Ziolkowska: Man darf den Glauben an sich selbst nicht verlieren. Vorsprechen ist auch eine unangenehme Veranstaltung. Kann man in zehn Minuten zeigen, wer man ist und was man will?

Schwarz: Das geht fast ins Würdelose. Als ich nach Stuttgart kam, war ich 25. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie mehr vorspreche. Ich konnte es glücklicherweise durchhalten. Man muss wahnsinnig auf sich aufpassen. Man hat ja nichts anderes.

Was ist das Schöne an Ihrem Beruf?

Schwarz : Die Probe. Das ist ein schöpferischer Prozess, da werden beschriebene Blätter zum Leben erweckt. Das kann ein Glücksgefühl sein, das der Liebe ganz nahe kommt.

Ziolkowska: Das stimmt! Die gemeinsame Erschaffung einer Welt, die so noch nicht existiert. Die Auseinandersetzung mit Literatur, das Eintauchen in andere Zeiten und Leben, das spielerische Element, die Dringlichkeit, etwas in Bewegung zu versetzen, das alles ist untrennbar auch mit Kräften und Impulsen aus der Kindheit verbunden. Ich liebe meinen Beruf leidenschaftlich. Wenn alles zusammen schwingt, das ist wie fliegen.