Filmemacher Hark Bohm und Özgür Yildirim – Altersunterschied 40 Jahre – über Horrorfilme, ihre Liebe zum Kino und Sätze, die man nie vergisst.

Hamburg. 1978, im Jahr bevor Özgür Yildirim geboren wurde, drehte Hark Bohm seinen Film "Moritz lieber Moritz" und stand für Rainer Werner Fassbinders "Die Ehe der Maria Braun" vor der Kamera. Der Altersunterschied zwischen beiden Filmemachern beträgt 40 Jahre, also fast zwei Generationen. Gemeinsam haben sie die Liebe zum Kino, sie sind Regisseure, Drehbuchautoren und Väter. Bis 2004 hat Yildirim bei Hark Bohm Film studiert. Aber es gibt natürlich auch große Unterschiede. Bohm ist im noblen Othmarschen aufgewachsen, Yildirim im weniger wohlhabenden Dulsberg. Bohm hat nordfriesische Walfänger unter seinen Vorfahren, Yildirim ist türkischer Herkunft. Sie kennen einander gut, das merkt man nicht nur daran, wie herzlich Hark Bohm und seine Frau Natalia ihren Gast begrüßen. Sogar der Hund scheint Yildirim zu erkennen.

+++ Generationengespräche im Abendblatt-Kulturteil +++

Hamburger Abendblatt: Wie haben Sie sich mit dem Kino-Virus infiziert?

Hark Bohm: Das war bei mir ein langsamer Prozess. Ich wohnte schon in meiner Jugend hier in der Nähe. Zwei Straßen weiter war das Liliencron-Kino, damals nannte man es ein Kunstfilm-Theater. Dort wurden viele französische Filme gezeigt wie "Die Kinder des Olymp" oder "Hafen im Nebel". Da habe ich Jean Renoir entdeckt, der für mein Leben als Filmemacher enorm wichtig gewesen ist. Er hat es geschafft, Geschichten so zu erzählen, dass Menschen, die nicht über seinen eigenen Bildungshintergrund verfügen, daran teilnehmen können. Im Arthouse-Bereich war es oft so, dass der Zuschauer die Pflicht hatte, sich das Kunstwerk zu "erarbeiten".

Özgür Yildirim: Ich habe als Kind sehr viel Fernsehen geschaut und auch sehr viel türkisches Kino. Es gab damals in Dulsberg einen türkischen Import-Export-Laden, in dem man VHS-Filme leihen konnte. Wir haben auch indische Filme ausgeliehen, die türkisch synchronisiert waren. Außerdem habe ich nebenbei immer sehr viele Horrorfilme geguckt, auch die, die ich eigentlich noch nicht sehen durfte. "Tanz der Teufel" von Sam Raimi war der Auslöser dafür, dass ich mich fürs Geschichtenerzählen zu interessieren begann.

Wie alt waren Sie damals?

Yildirim: Elf, und ich hatte immer tierische Angst, obwohl ich wusste, dass es nur Masken und Ketchup waren, kein echtes Blut. Raimi war erst Anfang 20, als er den gedreht hat, und wurde für mich als Jugendlicher zu einer Identifikationsfigur. Ich wollte unbedingt wissen, wie man es schaffen kann, Leuten mit etwas Unechtem Angst zu machen. Das hatte für mich etwas mit Magie zu tun. Ich habe dann selbst Horror-Geschichten geschrieben, die ich mit 14 veröffentlicht habe. In der Schule bekamen wir manchmal Textanfänge, die wir zu Ende schreiben sollten. Bei mir wurde es immer gruselig. Die Lehrer haben schon Kontakt zu meinen Eltern aufgenommen, um zu fragen, ob mit mir irgendetwas nicht stimmt.

Was würden Sie sagen, wenn Ihre kleinen Kinder sich Filme ansehen wollten, die erst ab 16 Jahren freigegeben sind?

Yildirim: Das würde ich auf keinen Fall wollen, ich wüsste ja nicht, wie sie damit umgehen. Aber Horrorfilme sind heute auch viel härter und haben nicht mehr den Charme von damals.

Haben sich Ihre Eltern Sorgen gemacht?

Yildirim: Nein, sie haben ja nicht gewusst, was ich mir ansehe. Das lief alles über Tauschgeschäfte in der Schule. Ich habe mich nachts sogar mit Knoblauch eingerieben, damit mich keine Vampire beißen. Ich finde es heute immer noch entspannend, solche Filme zu sehen.

Waren Horrorfilme bei Ihnen zu Haus ein Thema, Herr Bohm?

Bohm: Ja. Unser Sohn Uwe, der viel älter ist als unsere Kinder Lea und David, hat mit ihnen heimlich "Alien" geguckt. Als wir das gehört haben, sind wir fast vor Schreck aus dem Fenster gesprungen, weil wir fürchteten, dass der Film traumatische Nachwirkungen haben würde. Aber wenn das eine Wunde war, hat sie sich verwachsen.

Was wollten Sie Ihren Filmschülern unbedingt beibringen?

Bohm: Bestimmte Regeln, die aus der Erfahrung stammen. Zum Beispiel: Du musst finden, was dich als Filmemacher unverwechselbar macht, das macht dich sicher. Es ist bestimmt kein Zufall, dass in Özgürs Filmen "Blutzbrüdaz" und "Chiko" Türken die Hauptrolle spielen.

Was haben Sie von Hark Bohm gelernt, Herr Yildirim?

Yildirim: Ich hatte schon vorher mit Freunden amateurhafte Filme gemacht, mitgespielt und sie vertont. Was mir fehlte, war das Handwerk. Das habe ich in den zwei Jahren bei Hark gelernt. Als ich drei Jahre später meinen ersten eigenen Film drehte, wurde mir klar, was er mir beigebracht hat. Wir haben uns damals im Schneideraum oft seine Merksätze an den Kopf geworfen wie: "Geht so spät wie möglich in eine Szene rein und so früh wie möglich wieder raus!" Die sitzen bei mir ganz tief, wie das, was meine Eltern mir beigebracht haben. Hark ist mein Film-Papa.

Vater-Sohn-Beziehungen können konfliktreich sein. Haben Sie sich während des Studiums an der Hamburg Media School mal gestritten?

Bohm: Ständig. Wir haben uns damals noch gesiezt. Ich war wohl ein strenger Vater und ziemlich beharrlich. Aber wir wussten auch, dass wir uns versöhnen mussten.

Yildirim: Während des Studiums musste ich häufiger zu Hark ins Büro. Hannelore Hoger und Dieter Pfaff, die als Dozenten bei uns waren, hatten sich über mich beschwert. Weil ich das Gefühl hatte, mich kreativ unterordnen zu müssen, statt kreativen Austausch zu haben. Ich fühlte mich wieder wie früher in der Schule.

Muss man als junger Filmemacher gegen die Altvorderen auch mal rebellieren?

Yildirim: Klar - wenn es einen Anlass gibt. Aber es wird einem ja nichts aufgezwungen.

Die Zeit Ihrer Rebellion, Herr Bohm, war so ungefähr die Ära des Oberhausener Manifests, dessen Motto lautete: "Papas Kino ist tot." Wie lebendig ist das deutsche Kino heute?

Bohm: Wenn ich heute einen Mainstream-Film sehe wie Sönke Wortmanns "Die Päpstin", dann ist das hundertmal besser als das Mainstream-Kino vor 50 Jahren. Solche Filme wie Andreas Dresens "Halt auf freier Strecke" gab es damals überhaupt noch nicht im deutschen Kulturraum. Es gab nur ein paar alte Meister wie Helmut Käutner oder Bernhard Wicki.

Gibt es Erfahrungen, die man im Rahmen eines Studiums nicht vermitteln oder erlernen kann?

Yildirim: Ich wusste bei meinem ersten Film manchmal nicht, wie es weitergehen sollte oder was nicht stimmte. Aber ich hatte das Glück, dass Fatih Akin sich für "Chiko" als Produzent angeboten hat. Er hat mir gesagt: "Wenn du so etwas schon machst, dann mach es frech!"

Bohm: Der Umgang mit Zeit war ein Studienziel. Wir haben von den Studenten immer gefordert, Arbeit unter Zeitdruck zu erledigen. So haben wir versucht, den Praxisschock zu vermeiden.

Kann das Kino seine Rolle als Leitmedium in Zukunft verteidigen?

Yildirim: Ich wünsche mir das sehr, denn ich kann dort alles um mich herum vergessen. Es ist eine Odyssee. Junge Leute rauben heute einfach Filme aus dem Internet. Sie ignorieren damit den Zauber, den sie eigentlich haben könnten.