Jochen Busse wagt den Spagat zwischen Kabarett und Boulevard. Bis 9. September läuft das Stück “In jeder Beziehung“ im Winterhuder Fährhaus.

Komödie Winterhude. Er sitzt schon parat. Aber keineswegs so steif, wie er das als Bühnen-Biedermann perfekt beherrscht. Jochen Busse blickt nach oben auf die Fotogalerie im Foyer der Komödie Winterhuder Fährhaus. Hier grüßen sie alle von der Wand, die früheren und noch aktuellen Protagonisten des (Boulevard-)Theaters: Wolfgang Spier, Edith Hanke, Walter Plathe, Herbert Herrmann oder Nora von Collande. Auch Busse ist in Winterhude ein Stück weit zu Hause. Anfang dieser Woche hat der Fernsehmann wieder mal die Direktionswohnung bezogen. "Ich habe auch mein Brotmesser wiedergefunden, das ich vor Jahren hier gelassen habe", erzählt Busse erfreut. Obwohl er in seiner Bleibe "eine besondere Zuckerdose" vermisst, wirkt der Schauspieler beim Kaffee im Foyer entspannter denn je. Dass am Freitag, dem 13. eine neuerliche Hamburger Premiere ansteht, ist ihm nicht anzumerken: "In jeder Beziehung".

Vier Jahre lang hatte Busse mit seinem Hamburger Kollegen und Freund Henning Venske, 73, landauf, landab mit gleich zwei Kabarettprogrammen das beste Beispiel geliefert, wie man(n) auch im Alter kraftvoll, aktuell und selbstironisch zubeißen kann. Jetzt hat der 71-Jährige die neue alte Freiheit fürs Unterhaltungstheater entdeckt. "Ich mag Boulevard. Aber es geht vor die Hunde, und dagegen muss man etwas tun", sagt Busse. Das Stück "In jeder Beziehung" dreht sich um ein Ehepaar der Generation 50 plus (gespielt von Busse und Claudia Rieschel), das kurz vor der silbernen Hochzeit durch zwei Singlefreunde noch mal auf andere Gedanken kommt. "Hier wird der Seitensprung geplant und nicht wie in anderen etwas schlüpfrig anmutenden Stücken verheimlicht", meint Busse. Der Reiz des Neuen. Boulevard müsse zeitgemäß sein, fordert er.

Die Leute, die da reingehen, seien ja "die Grauköpfe". "Zum Boulevard können sie nicht gehen, solange sie Kinder haben. Das sind bei uns die jungen Leute um die 50, unser treuestes Publikum. Und für die muss man etwas machen, was sie angeht", meint er.

Ironie seiner beruflichen Lebensgeschichte: Schon vor mehr als 40 Jahren hat der Fabrikantensohn aus Iserlohn in Filmen über den Seitensprung und mehr aufgeklärt: in "Ehepaar sucht gleichgesinntes". Oder in "Ellenbogenspiele" (beide von 1969). "Damals haben wir unter dem Mäntelchen der Aufklärung den Voyeurismus bedient." Geschämt hat er sich dafür nie. "Es war ja damals so eine prüde Zeit." Aber "Die Jungfrauen von Bumshausen" (1970)? "Da war ich nicht einmal nackt, und im 'Hausfrauenreport' habe ich einen betrogenen Adeligen gespielt." Schöne Rollen. Busse konnte als 29-Jähriger erstmals sein komisches Talent zeigen.

Busses berufliche Bandbreite lässt sich an seinen Auszeichnungen ablesen: Vom Negativpreis "Saure Gurke" 1987 für einen angeblichen frauenfeindlichen Sketch seiner ARD-Reihe "Nur für Busse", über den "Bambi" als "Oberkopf bei den sieben Tagen", wie er den früheren komischen RTL-Wochenrückblick "7 Tage, 7 Köpfe" nennt, über zwei Deutsche Comedypreise bis zum Ehrenpreis 2010 beim Deutschen Kleinkunstpreis mit Venske reicht die Palette. Parallel zu Busses Winterhuder Premiere proben sie zurzeit einen Sketch für den Bayerischen Kabarettpreis, den die beiden Ex-Mitglieder der Münchner Lach- und Schießgesellschaft am Montag ehrenhalber erhalten werden.

"Es ist so schwer, dich unterzubringen", hat ein Regisseur mal über Busse geurteilt. "Das ist das, worauf ich immer Wert gelegt habe: die Unverwechselbarkeit", stellt Busse nun fest. Die Kommunikation mit dem Zuschauer auf Augenhöhe, das Rausspringen und schnelle Reinfinden in die Figur, das beherrscht er wie kaum ein Zweiter. Als stünde es im Textbuch. "Das ist nie ein Bruch, und daraus ist ein Markenartikel für die Theater geworden."

Nur beim Selberschreiben werde er unwirsch und verschlossen, hat der in vierter Ehe verheiratete Busse feststellen müssen. Und doch fällt dem Komiker immer noch etwas ein. Ein Großteil der Pointen "In jeder Beziehung" stammen von ihm. Obwohl er seine Autoren Dietmar Jacobs und Lars Albaum sehr schätzt, verstünden sie nicht, "dass ein Abgangssatz gerade im Boulevardtheater sehr wichtig ist", sagt Busse. "Darum habe ich mir alle Abgangssätze selber gemacht. Am besten noch mit einer Pointe." Teamarbeit zwischen den Generationen. "Und die Jüngeren freuen sich, als wäre es von ihnen." Busses Stimme hebt sich - wie auf der Bühne.

Sein "Leib- und Magenautor" Jacobs hat Busse auch zu seinem ers- ten Kabarett-Soloprogramm animiert: "Wie komm ich jetzt da drauf?", fragt der 71-Jährige. Dem Alter gemäß erzählt er davon, wie er 40 Jahre lang versucht hat, die Welt zu verbessern und jetzt mit der realen zurechtkommen muss. Busse deutet auf ein Plakat in der Ecke des Foyers der Komödie Winterhude. Es kündet von seiner Hamburg-Premiere Mitte November im benachbarten Lustspielhaus.

Das fortwährende Spielen, ob nun Kabarett oder Theater, sei das Wichtigste. "Ich bin für en suite geboren", konstatiert Busse. Der ununterbrochene Jochen. "Ich könnte in New York leben und das zwei Jahre lang machen. Ich schmeiß mich da auch immer wieder gern rein. Wenn ich nicht schwitze, ist irgendwas nicht in Ordnung."

Normalerweise macht er sich morgens gut zehn Minuten mit Hula-Hoop warm. Mit einem zusammensteckbaren Reifen, der nie runterfalle, erzählt Busse stolz. Dann folgt Yoga. Wenn der Wahlberliner aber wie jetzt auf Tournee spielt, schläft er am Nachmittag gut 20 Minuten und macht danach noch eine halbe Stunde lang seine Übungen. "Ab 17 Uhr bin ich für die Welt nicht mehr zu erreichen", erzählt der gelenkige und kerngesunde Schauspieler ("keinerlei Beschwerden, keinen Bluthochdruck").

Nur im nächsten Januar will Jochen Busse wie alle zwei Jahre mal länger ausspannen: bei einer Ayurveda-Kur auf Sri Lanka. Schon gebucht? "Schon bezahlt!", fügt Busse hinzu. Beim Verlassen des Komödie-Foyers ist oben an der Fotogalerie auch sein Konterfei zu sehen. "Das ist aus den 90ern und in Bonn aufgenommen", ruft er noch. Gutes Gedächtnis, der Mann. Er sieht heute frischer aus als damals.

"In jeder Beziehung" bis 9.9., tägl. außer Mo 19.30 (So 18.00), Komödie Winterhude (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstr. 13, Karten zu 10,50 bis 35,- unter T. 48 06 80 80

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