Schauspieler Tim Grobe gibt mit “Sylt - Ein Irrtum Gottes?“ sein Debüt an den Kammerspielen - und rettet stimmgewaltig Hamburgs Lieblingsinsel.

Hamburg. Tim Grobe kennt Sylt nicht. Der Schauspieler war noch nie auf der Nordseeinsel. Trotzdem ist er als abgehalfterter Politiker Heiner Weber bereit, in Dietmar Loefflers groteskem Songdrama "Sylt - Ein Irrtum Gottes?" das Paradies der Schönen und Reichen zu retten und zum Freistaat zu erklären. Ein echter Schildbürgerstreich. Der musikalische Bad Boy im Schauspielhaus-Ensemble gibt am Sonnabend in der Uraufführung sein Kammerspiele-Debüt und verspricht, die Posse mit Schmackes und seinem satten Bariton voll auszukosten.

"Natürlich geht Webers Plan voll in die Hose", amüsiert sich Tim Grobe. Er kommt von der Probe, noch im Nadelstreifenanzug seiner Figur. "Sie hat eine darstellerische Spannbreite vom Großkotz bis zum kleinen Würstchen", sprudelt es aus ihm heraus. "Mit allen Klischees über Politiker. Ich muss bei diesem Liederabend nicht auf Psychologie gehen, das ist alles sehr, sehr unterstrichen und mit dicken Buchstaben geschrieben, was mir großen Spaß macht."

Aber deshalb einen Liederabend auf die leichte Schulter zu nehmen, das käme dem sogenannt seriösen, in Shakespeare, Lessing, Brecht oder Gegenwartsdramatik erprobten und profilierten Charakterschauspieler nicht in den Sinn. "Du kannst beim Liederabend nicht lügen", sagt er und streicht seine Lockenpracht aus der Stirn. Steht ihm gut nach der rasierten Glatze. Das lange Haar gibt seinem kantigen Gesicht einen sanfteren Ausdruck - wenn er es denn will. "Wir sind weder Opernsänger noch Musicaldarsteller, man muss da mit seinen Mitteln kämpfen: Entweder macht man das volle Breitseite oder gar nicht." Erzkomödiant Grobe hat schon längst Blut geleckt in den Produktionen von Erik Gedeon und Franz Wittenbrink. "Sylt" ist der achte Liederabend nach "Mein Ball", "Trostpreis für Deutschland", dem Ikea-Oratorium "Das Wunder von Schweden", dem Dauerbrenner "Zigeunerjunge" und "Tiger & Babs", der mit Loeffler erarbeiteten Hommage an Barbra Streisand und Tom Jones. Nicht zu reden von seinem Mackie Messer in der "Dreigroschenoper" und anderen stimmstarken Auftritten.

+++ Eine Hymne auf die Lieblingsinsel der Deutschen +++

Kaum zu glauben, dass der Sängerschauspieler, der er unbestreitbar ist, noch nie eine Gesangsstunde genommen hat. "Ich lerne über das Gehör und das Nachsingen", bekennt er offen. "Ich habe jetzt auch ein gutes Empfinden dafür entwickelt, was ich meiner Stimme zumuten kann und was nicht." Als Anfänger sei er noch nervös und verkrampft gewesen, habe auch manchmal geschrieen. "Aber am nächsten Morgen war die Heiserkeit immer weg. Einmal schlafen und meine Stimmbänder funktionieren wieder. Das ist einfach so." Grobe, der robuste Glückspilz, ist offensichtlich gesegnet mit einem Naturtalent. "Ich glaube, ich käme in große Schwierigkeiten, ginge ich jetzt zu einem Gesangslehrer. Wenn der sagte, nee, nee du machst alles falsch, du musst das so und so machen, würde ich ihn wohl zusammenschlagen."

Die Lieder im "Sylt"-Abend bieten die Palette von Klassik über Musical bis Pop: "Von Brünnhildes 'Hojoteho' bis Sammy Davies Junior oder Queen und Kompositionen von Loeffler." Grobes Lieblingslied in der Show? "Das singt meine liebe und verehrte Kollegin Carolin Fortenbacher." Es ist eine Ballade aus dem Musical "Man of La Mancha" mit neuem Text. Sie könne den Kitsch großartig verkaufen. "Hat aber immer ein Augenzwinkern dabei. Der Zuschauer kann sich entscheiden, ob er Gänsehaut bekommen und heulen will. Oder ob er sich über sie tot lacht. Diesen Grenzgang beherrscht Caro, da ist sie für mich ein großes Vorbild."

Apropos Vorbild. Grobe ist Opernfan, wollte aber nie Sänger werden. "Ich bin froh, so bin ich nicht bewertbar. Ich kann mir Renée Fleming in München im 'Rosenkavalier' angucken und muss nicht denken: O Gott, warum machst du das nicht so wie der Franz Hawlata. Ich kann da einfach sitzen und mir sagen 'Boah, sind die toll' und neidlos 'Bravo' rufen."

Bravos hat Grobe allerdings auch für sein Pagageno-Duett mit Anne Weber in Wittenbrinks "Eltern" erhalten. Bis zu Mozart hat er es also schon geschafft. Im neuen Wittenbrink-Abend "Aida" im Schauspielhaus kommt vielleicht noch Verdi dazu, obwohl es nicht um die Oper geht. Zentrale Themen sind Luxuskreuzfahrt, Sehnsucht und Untergang. "Es wird wohl eine Art Abgesang, passt ja auch. Nicht nach dem Schema Auftritt - Lied, Auftritt - Lied mit Animation oder Kicher-Kicher-Spielchen." Außerdem ist er im September als Küster mit Jan Fedder in dem ARD-Film "Hafenpastor" zu sehen. "Ich bin mal wieder der fiese Möb."

Plant Grobe nun einen Sylt-Urlaub? "Nö, ich war noch nie in New York. Da will ich unbedingt hin, nicht nur wegen der Metropolitan Opera. Island würde mich auch reizen, um einmal richtig herunter zu kommen. Aber nicht in diesem Sommer." Klar, da ist "Sylt" in den Kammerspielen gebucht.

"Sylt - Ein Irrtum Gottes?" , 20.00, Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11,Termine bis 12.8., Karten zu 16,- bis 44,- unter T. 0800-41 33 440

Entdecken Sie Top-Adressen in Ihrer Umgebung: Theater in Hamburg-Rotherbaum