Die heiligen Zeiten sind vorbei: Im Schmidt und Tivoli öffnet sich für die Christmas Specials auch während der Feiertage der Vorhang.

Hamburg. Die heiligen Zeiten sind vorbei. Bis vor einigen Jahren konnte sich das Theatervolk auf den einzigen wirklich sicheren freien Tag im Jahr freuen: den Heiligen Abend. Da ging der Lappen, wie der Vorhang im Bühnenjargon heißt, nicht hoch. Und im Zuschauerraum blieb es also öd und leer. Krippenspiele waren den Kirchen vorbehalten. In frühen christlicheren Zeiten wäre es wahrlich undenkbar gewesen, dass die fahrende Komödianten-Zunft zu Weihnachten ihr unheiliges Unwesen hätte treiben dürfen. Da waren sich Katholiken wie Protestanten in Brauch und Glaubensfragen zur Abwechslung einmal selten einig.

Doch in der Spaßgesellschaft sind die Sitten lockerer geworden. Das Weihnachtsfest ist zum Partyrummel mutiert, wie es in "heidnischen" Ländern schon länger der Brauch ist. Es ist kein Sakrileg mehr, dass Theater spielen. Die verpönte Kaste der Komödianten darf jetzt auch am Heiligen Abend ihr frivoles Gewerbe betreiben. Sie steht mit Gesang, Tanz, unchristlichen Kalauern und oft gar schlüpfrigen Scherzen allen Einsamen, Familienflüchtern und Vergnügungssüchtigen frech und fröhlich zu Diensten.

Allen voran Entertainer und Ulknudel Kay Ray. Er kann es sich gerade in heiligen Zeiten nicht verkneifen, die Klappe zu halten und auch noch als bunter Weihnachtsknaller mit losem Mundwerk zweideutige Pointen platzen zu lassen. Beim "Christmas Special" am Heiligen Abend (!) geben "Das Kay" und "La Fortenbacher" unterm Weihnachtsbaum den schrillen Sanges-Josef und die aufgebrezelte Koloratur-Maria vom Kiez.

Die beiden Diven garantieren bei ihrem Treffen ab 23 Uhr im Rampenlicht des Tivoli-Theaters mit ihren Liedern und Zoten Gelächtersturm, witzige Gedankenblitze und reichlich Gedöns und Gedonner in der Stillen Nacht. Sie singen aus ihrem Repertoire und mischen es mit weihnachtlichem Liedgut auf. Oder was die beiden darunter verstehen: "Jesu, Joy Of" vom guten Johann Sebastian. Zum Ausgleich rasch etwas Weihnachtspop von Beyoncé. Und dann noch Weihnachtsrock nachgeschoben.

"Mamma Mia!" La Fortenbacher kommt nun einmal nicht um ABBA herum, hat - wie klug und sinnig - den Instrumentaltitel "Arrival" ausgewählt. Soll sich wohl auf die "Ankunft" des Jesuleins beziehen. Bleibt nur zu hoffen, dass die beiden Rampentiger sich nicht beim Buhlen um die Gunst des Publikums in die lamettaglitzernden Haare geraten und beginnen, wahllos mit kostbaren Weihnachtskugeln zu werfen. Dem Kay und La Fortenbacher wäre noch etwas mehr zuzutrauen.

Im Schmidt-Theater nebenan soll es dann ebenfalls nicht besinnlich und weniger laut zugehen. Wolfgang Trepper moderiert die "Schrille Nacht" - eine Sonderausgabe der "Großen Schmidt-Weihnachtsgala". Den Kabarettisten aus dem Ruhrpott, ein Profi-Lästermaul par excellence, sind versöhnlich flötende Friedensengel ein Graus und Grund zu Spott. Auch die Gnadenzeit kann den Ex-Hörfunk-Journalisten aus Duisburg davon nicht abhalten, ohne Gnade seinen Feldzug gegen die Dummheit weiterzuführen und verbal gegen alle Blöden im Lande vom Leder zu ziehen. Wie gut, dass Treppers Gäste für Gefechtsfeuerpausen sorgen und die Zuschauer sich von den kritischen Attacken etwas erholen und die Zwerchfelle sich von den Lachsalven entspannen können.

Dann wird's heilige Zeit für den Zauberer Gaston, mit seinen Künsten die Zuschauer gnädig zu stimmen, zu bezirzen und ihnen das Staunen beizubringen. Zwar steht der Music-Comedian El Mago Masin mit seinem Anarcho-Witz Wolfgang Trepper kaum nach, er lässt jedoch dessen bittere Polit-Sottisen vergessen, die einem immer die Laune vermiesen, weil sie an "die Weltherrschaft der Narren" erinnern. Das Duo Spot The Drop führt mit seiner Jonglage-Show "Vorwürfe & Handgreiflichkeiten" des Trepper-Programms weiter. Mit dem Unterschied: Statt der Worte lässt es seine atemberaubende Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit sprechen. Treffen dann der Dicke und der Dünne des Akrobatenduos Unwucht aufeinander, wird es bei Trepper (fast) so komisch wie nebenan beim Divenzoff von Kay und Fortenbacher. Die Theater im Tivoli und Schmidt rocken den Kiez mit "All I Want For Christmas" - um zeitgemäß eine Popstar-Mariah zu zitieren.

Aber alles, was sich Showkünstler zu Weihnachten wünschen, ist, nach gutem alten Brauch einmal im Jahr nicht den Kasper oder die Koloraturgretel fürs Publikum machen zu müssen. Aber das war einmal. Vor heiligen Zeiten.

Christmas Special La Fortenbacher & Das Kay Sa 24.12., 23.00, Schmidts Tivoli (S Reeperbahn) Spielbudenplatz 28,

Schrille Nacht mit Wolfgang Trepper Sa 24.12., 23.00, Schmidt-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 24; Restkarten für beide Vorstellungen zu 18,50 bis 27,30 unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de