Die Hamburg-Motive in der großen Max-Liebermann-Ausstellung entstanden auf Anregung des damaligen Kunsthallendirektors Alfred Lichtwark.

Hamburg. Die Kunsthallen-Retrospektive "Max Liebermann - Wegbereiter der Moderne", in der am Wochenende der 100 000. Besucher empfangen wurde, ist für Hamburg ein Heimspiel. Das liegt nicht zuletzt an dem besonderen Verhältnis, das zwischen Liebermann und Kunsthallen-Gründungsdirektor Alfred Lichtwark bestanden hat. Ein wichtiger Ertrag dieser Freundschaft sind die zahlreichen Hamburg-Motive, die zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören.

Im Juni 1890 begegneten sich der Galeriedirektor und der Maler zum ersten Mal persönlich: Lichtwark dürfte ein bisschen aufgeregt gewesen sein, als er Liebermann an einem Frühsommertag in Hamburg traf. Im Jahr zuvor hatte er auf der Pariser Weltausstellung Liebermanns "Netzflickerinnen" für die Kunsthalle gekauft und der Sammlung damit einen Modernitätsschub verpasst. Jetzt wollte er den Berliner für Hamburg begeistern, wollte ihm die Schönheiten der Stadt vor Augen führen und ihn dazu anregen, "hamburgische Motive" zu malen.

Für die von ihm geplante "Sammlung von Bildern aus Hamburg" kam Liebermann dem Kunsthallenchef gerade recht. Mit vertrauten und heimatlichen Motiven wollte er das konservative Hamburger Publikum für die zeitgenössische Kunst gewinnen. Dass das nicht immer leicht sein würde, musste er freilich bald darauf erfahren, als Liebermanns Porträt des hochbetagten Bürgermeisters Petersen zunächst auf empörte Ablehnung stieß.

Anders lief das bei den Stadtansichten, hier ging sein kunsterzieherisches Kalkül von Anfang an auf. Offenbar war es Lichtwark gelungen, den damals schon berühmten, freilich auch umstrittenen Berliner Maler für die Hamburger Stadtlandschaft zu begeistern. Er führte ihn durch die damals gerade im Entstehen begriffene City, vorbei an der Baustelle des Rathauses zum Jungfernstieg und zur Alster. Aber natürlich auch zum Hafen und in die Elbvororte, etwa in den Jenischpark, in dessen Nähe Liebermann im noblen Hotel Louis C. Jacob Quartier bezog. Lichtwark dürfte bei diesen gemeinsamen Spaziergängen nichts dem Zufall überlassen und die Routen, Aus- und Durchblicke sehr genau geplant haben. Die intensive Korrespondenz auch mit anderen Künstlern beweist, dass der Kunsthallendirektor sehr genaue Vorstellungen davon hatte, wie die von ihm in Auftrag gegebenen Motive auszusehen hatten.

Die erste Hamburger Ansicht schuf Max Liebermann noch im Sommer 1890 vor Ort. Das Pastell zeigt die Kirchenallee in St. Georg, die in unmittelbarer Nähe der Kunsthalle liegt. Es ist eine urbane Szene, die durch das dichte Laubkleid der Bäume am Straßenrand die Natur mit einbezieht. Auf dem Straßenpflaster sind die für Liebermann typischen Lichtflecken zu sehen, vorn links erkennt man ein Dienstmädchen.

Lichtwark besuchte Liebermann häufig in Berlin, wo er im Atelier stets die neuesten Bilder zu sehen bekam. Und nachdem sich in Hamburg die Gemüter beruhigt hatten, erhielt der Berliner Maler für den Sommer 1902 von der Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle eine offizielle Einladung zu einem Arbeitsaufenthalt. Bei der Themenwahl ließ man ihm freie Hand, sodass sich Liebermann für "seine Lieblingsstelle, die Terrasse von Jacob mit den weißen Tischen und Stühlen unter den geschorenen Bäumen im Sinnenlicht" entscheiden konnte.

Das Bild, das nun entstand, wurde zu einer wahren Ikone unter den künstlerischen Hamburg-Darstellungen und zu einem der beliebtesten Werke der Kunsthalle. Liebermann fühlte sich in Hamburg sichtlich wohl. "Ja! Selbst an den ewigen Regen hatte ich mich schon gewöhnt", notierte er später. An einem solchen Regentag wird auch das hübsche Pastell "Das Zimmer des Künstlers bei Jacob in Nienstedten" entstanden sein. Es zeigt ein hohes, hell gestrichenes Eckzimmer mit Blick über die Elbe. Rechts steht ein Waschtisch mit Porzellanschüssel und Kanne, was beweist, dass 1902 selbst ein Luxushotel wie Louis C. Jacob noch Zimmer ohne fließendes Wasser im Angebot hatte.

Liebermann malte Elbmotive, Landhäuser wie die klassizistische Godeffroysche Villa im Hirschpark und mit den "Polospielern im Jenisch Park" auch eines jener heiteren Freizeit- und Sportmotive, denen er sich in dieser Zeit immer häufiger zuwandte.

Gleich dreimal reiste Liebermann 1909 nach Hamburg, um eine Szene am Uhlenhorster Fährhaus zu malen. Diesmal quartierte er sich im Hotel Hamburger Hof am Jungfernstieg ein, hatte aber zunächst wenig Glück: Das Wetter war schlecht. Trotzdem entstanden während seiner Aufenthalte zahlreiche Skizzen und mehrere Pastelle mit Blicken auf den Jungfernstieg und die Lombardsbrücke, vor allem aber auf die Außenalster. Die Studien zu Ruderbooten, zu Bootsstegen und zum sommerlichen Treiben am Alsterufer dienten der Vorbereitung seines vielleicht schönsten Hamburg-Bildes. Nicht in Hamburg, sondern im Berliner Atelier und in seinem Haus am Wannsee malte Max Liebermann drei Fassungen der bunten Szenerie eines Sommerabends am Uhlenhorster Fährhaus. Eines der Bilder besitzt die Kunsthalle, ein weiteres befindet sich in Privatbesitz und das dritte gehört den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

In einer bewegten Komposition malte Liebermann den damals beliebtesten Treffpunkt der Hamburger Freizeitgesellschaft am Wochenende: Herren in legeren Anzügen und hell gekleidete Damen mit Hüten fahren in Booten oder sitzen an Tischen am Wasser. Und im Hintergrund grüßen die Türme der Silhouette der nur scheinbar fernen und entrückten Innenstadt, die man in Wahrheit per Bahn oder Boot in wenigen Minuten erreichen konnte.

Max Liebermann - Wegbereiter der Moderne, Hamburger Kunsthalle, bis 19.2.2012, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00