Im Docks geht die 47-jährige Sängerin Doro am Sonntag wieder an ihre körperlichen Grenzen. Für das Konzert gibt es noch Restkarten.

Docks. Das Leben als Rockstar: ein ewiger Hort des Glamours, eine permanente Party, bei der Geld keine Rolle spielt und in Jahrgangs-Schampus gebadet wird? Wer Doro - mit mehr als 2500 Konzerten unter dem Nietengürtel und einer Diskografie, die bei Wikipedia mehrere Seiten füllt, ein Weltstar des Heavy Metal - mal hinter der Bühne besucht, merkt schnell, dass die Realität anders aussieht.

Ein paar Flaschen Mineralwasser, Obstsalat, belegte Brötchen mit Käse, der an den Rändern zu trocknen beginnt - Luxus-Catering sieht anders aus. Das schwarze Ledersofa, auf dem es sich die 47-Jährige mit der blonden Mähne bequem gemacht hat, ist mit Tour-Shirts und Live-DVDs beladen, die später verkauft werden sollen. Das berühmte Leder-Outfit für die Bühne liegt noch im Koffer, der Tourmanager drängt mit Blick auf die Uhr zur Interview-Eile, doch Doro, die ewige Metalkönigin, ist nicht zu bremsen. Schließlich redet sie gerade über das, was ihr alles bedeutet. Über ihre Musik. Und über ihre Fans, von denen sie viele mit Namen kennt, weil sie ihr seit Jahren, manchmal Jahrzehnten hinterherreisen, ihr Briefe schreiben, ihr Geschenke machen und sie selbst dann durchhalten lassen, wenn der Körper eigentlich am Ende ist. Am Sonntag werden viele von ihnen auch im Docks stehen und ihre Heldin bejubeln. Die Deutschen, die in der Vergangenheit ihren Jahresurlaub geopfert haben, um die gebürtige Düsseldorferin auf einer US-Tour zu begleiten. Und natürlich auch die junge Belgierin, die sich nach zwei Söhnen unbedingt noch eine Tochter wünscht - um sie Dorothee zu nennen.

Sie alle blicken auf zu einer Pionierin der deutschen Metal-Szene. Einer Frau, die als Dreijährige Little Richards Hit "Lucille" hörte und wusste, dass sie später selbst auf einer Bühne stehen wollte. 14 Jahre später nahm sie dann mit der Band Warlock ihr erstes Album auf: "Burning The Witches", ein Heavy-Metal-Klassiker und der Anfang einer beispiellosen Karriere.

"Damals hab ich mir über die Zukunft natürlich keine Gedanken gemacht", erinnert sich Doro. "Es war einfach nur unglaublich schön, Teil einer neuen Bewegung zu sein." Als Mitte der Achtziger Heavy Metal auch kommerziell durch die Decke ging, war Doro dabei - und erlebte nur wenige Jahre später den absoluten Tiefpunkt. Plötzlich gruben Grunge-Bands wie Nirvana und Pearl Jam der Metalszene das Wasser ab, Plattenverträge platzten, Touren mussten mangels Publikumsinteresse abgesagt werden.

"Viele Musiker sind damals wieder in ihre alten Berufe zurückgegangen", weiß sie. Doch für die gelernte Grafikdesignerin war das keine Option. Ihre von dicken schwarzen Kajalstrichen umrahmten Augen blitzen, als sie sagt: "In so einer Situation muss man einfach durchhalten. Notfalls spiele ich auch vor 50 Leuten. Und zwar zweieinhalb Stunden lang." Mehr als das: Um im Jahr 2000 eine US-Tournee mit Ronnie James Dio zu realisieren, löste Doro ihre Lebensversicherung auf, schließlich müssen Konzerte längst von den Bands selbst vorfinanziert werden.

Metal als Selbstausbeutung? Ganz so tragisch sieht Doro das nicht

"Einen freien Tag kann ich mir heute gar nicht mehr leisten", sagt Doro. "Die Kosten für den Bus und die technische Crew laufen ja weiter." Also wird möglichst jeden Abend gespielt. "Ich habe auch schon 16 Konzerte hintereinanderweg gemacht, aber das war die Hölle, danach war ich völlig fertig." Metal als Selbstausbeutung? So tragisch sieht Doro das nicht. Für sie ist die Musik eben alles, da gibt es keine Alternative. An einer Supermarkt-Kasse sitzen, um die Miete zahlen zu können? Undenkbar. Stattdessen: kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Drogen. Der Gegenentwurf zum klassischen "Sex & Drugs & Rock 'n' Roll"-Klischee, und vermutlich die einzige Möglichkeit, fast schon drei Jahrzehnte durchzuhalten. "Ich habe keine Familie, keine Kinder, eigentlich auch kein Privatleben", stellt Doro fest. "Aber nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Leben, wie ich es führe, möglich." Manchmal, wenn sie richtig k. o. sei, blicke sie bei Konzerten in die Gesichter der strahlenden, mitsingenden Fans in den ersten Reihen: "Daraus schöpfe ich neue Kraft." Klar, dass verschrumpelte Käsebrötchen und lange Nächte im engen Tourbus da zur Nebensache werden.

Doro So 18.12., 19.00 (Einlass), Docks (U St. Pauli), Spielbudenplatz 19, Restkarten zu 28,90 im Vvk.; www.doropesch.com