Der Komponist Benjamin Scheuer ist keine 25 und lernt schon bei Wolfgang Rihm, dem Großmeister der zeitgenössischen Musik in Deutschland.

Hamburg. Benjamin Scheuer übt einen Orchideenberuf aus, aber wenn man seine Arbeit in Botanik übersetzen wollte, dann liegt ihm mehr an Nutz- als an Zierpflanzen. Statt fern der schnöden Welt im Elfenbeinturm vorsichtig oder genialisch Note um Note neue Musik aufs Papier zu setzen, steht der junge Komponist mit Herz und Verstand mitten im Leben. Vor wenigen Tagen bekam er von einem Hamburger Stifterehepaar 10.000 Euro geschenkt, weil es ihm immer wieder gelingt, die an die Beziehung von Feuer und Wasser erinnernde unglückliche Liaison zwischen dem gemeinen Publikum und Neuer Musik zu verändern. Scheuer ist noch keine 25, aber seine zeitgenössische Musik ist entschieden griffig und zielt auf direkte Anteilnahme des Hörers.

Der Krista-und-Rüdiger-Warnke-Förderpreis, der alle zwei Jahre an Studierende der Hochschule für Musik und Theater vergeben wird, ist Scheuers Lohn dafür, dass er in eines seiner Stücke auch die musikalische Interaktion von Grundschulkindern und ihren Großeltern hineinkomponiert hat. Tolle Idee, kommt bloß sonst keiner drauf aus der E-Musik-Fraktion.

Der Komponist denkt sozial im Großen und im Kleinen. "Ich brauche immer jemanden, mit dem ich reden kann", sagt der junge Mann, der in einem Schnellsprecherwettbewerb gute Chancen hätte. Das Redenmüssen gilt auch für sein Komponieren. So entstand ein Auftragswerk für Klarinette und Klavier erst nach intensivem Austausch mit einer Regisseurin. Scheuer mangelt es nicht an rein musikalischen Ideen, aber er liebt die szenischen Komponenten des Musikmachens, und er bringt sie in immer überraschenden Facetten ans Licht - oft mithilfe anderer. Bis Februar wird seine erste Messe fertig sein. Auch dafür nahm er entscheidende Impulse von außen an.

Seit Kurzem reist Scheuer einmal pro Woche nach Karlsruhe, wo er als Meisterschüler bei Wolfgang Rihm studiert, dem Großmeister der zeitgenössischen Musik in Deutschland. Man glaubt ihm aufs Wort, wenn er sagt: "Nicht aus Prestigegründen, sondern weil ich was lernen will." Als Sohn einer Kunstlehrerin ist er mit Klassik groß geworden: "Oper war meine Pop-Musik." Weil er "nie das Übe-Tier" war, aber immer kreative Ausdrucksmittel finden wollte, führte sein Weg ohne große Umwege zum Komponieren.

Scheuer verdankt seinen Werdegang auch außerfamiliärer Förderung: "Ich bin eindeutig ein Ziehkind der Jugendmusikschule." Durch sein Engagement für die einzige Musikschule im größten Viertel der Millionenstadt Guayaquil in Ecuador, die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen Sinn und Perspektive bietet, gibt er vielleicht auch etwas zurück von dem, was er in seiner Jugend bekam. (abendblatt.de)