Im 30. Jahr seines Bestehens hat das Ensemble jegliche Gefälligkeit aus seinen Interpretationen getilgt und wurde dafür in Hamburg umjubelt.

Hamburg. Viele Musiker stoßen sich im Laufe der Zeit ihre Hörner ab und werden milder. Das Hagen Quartett ist eher in der Gegenrichtung unterwegs und schwimmt heute noch entschiedener gegen den Strom der Konvention als früher. Im 30. Jahr seines Bestehens hat das Ensemble endgültig alle Spuren von Gefälligkeit - wenn es denn überhaupt je welche gab - aus seinen Interpretationen getilgt.

Zu Beginn ihres umjubelten Auftritts im kleinen Saal der Laeiszhalle überraschten die Salzburger Streicher mit einer kompromisslos expressiven Interpretation von Haydns Quartett op. 33,2. Als wollten sie den Beinamen "Der Scherz" Lügen strafen, versenkten sie sich mit tiefem Ernst in die dichten Motivstrukturen des Kopfsatzes und den barocken Klagegestus des Largo. Durch diesen Kontrast wirkten Haydns Pointen - die parodistisch angeglitschten Geigentöne im Trio und die Hörerveräppelung am Schluss - umso witziger.

Dass vereinzelt mal ein Ton quietscht oder leicht danebengeht, nehmen die Hagens als Preis für ihre Risikofreude in Kauf: Ihnen geht es um den musikalischen Charakter, um die Botschaft, und nicht um glatte Perfektion. Das zeigte sich auch in Bartóks viertem Quartett, in dessen Adagio Clemens Hagen sein Cello wie eine menschliche Stimme raunen, murmeln und flüstern ließ. Auch in den anderen Sätzen kosteten die Streicher den riesigen Farbreichtum von Bartóks Musik aus, hätten dabei allerdings durchaus mehr ungarisches Feuer aus den Saiten schlagen dürfen.

Dafür erglühte das Brahms-Quartett op. 67 in ungewohnter emotionaler Hitze. Die Streicher scheren sich eben nicht um Aufführungstraditionen. Sie lesen jede noch so bekannte Partitur, als wären die Noten frisch gedruckt. Und da entdeckten hinter der formstrengen Fassade von Brahms einige leidenschaftliche Momente, in denen die Musik beinahe außer sich gerät - um gleich darauf einen allerzartesten Gesang anzustimmen. Zum Niederknien schön.

Auch bei der Zugabe blieb das Hagen Quartett seiner Linie treu und spielte keinen fluffigen Rausschmeißer, sondern gab seinen Hörern einen düster dräuenden Schostakowitsch mit auf den Weg. Das gewichtige Schlusswort von vier unermüdlichen Wahrheitssuchern.