Der britische Pop-Wunderknabe James Blake lotet im Docks mit engelhafter Soulstimme den Dubstep in einem zauberhaften Konzert aus.

Hamburg. Alles ist Bass. Von der ersten Sekunde an. Wer den nicht mag, ist hier falsch. Das elektronische Wummern und Brummen ist das Herzstück der Musik des James Blake. Der Brite mit dem sanft ätherischen Jünglingscharme sitzt - mal lässig wippend, mal wiegend - an seinen Tastengeräten im fast ausverkauften Docks. Lässt den Blick bedeutungsschwer in die Menge schweifen.

Seinen Konzerten eilt der Ruf voraus, einfach nur "zum Niederknien" zu sein. Und es ist in der Tat erstaunlich. Blakes brüchige Chorknabenstimme trägt Geist und Herz fort auf unbekannte Kontinente. Fräst sich durch Urwälder aus Klangdickicht. Gleichzeitig geht diese Musik ganz tief dahin, wo es wehtut. Kein Wunder, dass sich auf diesen gerade mal 23 Jahre jungen Musiker, der den Dubstep so ernst wie lässig in neue, visionäre Höhen führt, alle einigen können. Von der ersten Minute an schreitet er einen Kreis aus satten Beats ab, über dem er karge, aber effektive Pianomotive platziert. Nur vereinzelt verirrt sich hier mal eine Gitarre. "Enough Thunder", der Titelsong der aktuellen EP, ist zugegeben in seiner kruden Suche nach einer Melodie etwas überambitioniert geraten, führt den Dubstep jedoch weiter zu fast kammermusikalischen Arrangements. Dafür, dass der Konsensmusiker des Jahres als Experte für Leerstellen gilt, kreiert er erstaunlich volle Klangräume.

Blake verbindet nostalgische Melodien - "To Care (Like You)" - und Kindheitserinnerungen - "I Never Learnt To Share" - mit einer nachdenklichen Melancholie, wie sie derart überzeugend wohl nur juveniler Ernst gebiert. Angefüllt von einer das Herz mit kalter Hand umklammernden Sehnsucht. Ohne jede Larmoyanz operiert er am offenen Herzen der süßen Erwartung.

Mal singt Blake mit engelhafter Soulstimme, die er nach Belieben übereinandersampelt und dabei auch mal den aufbrandenden Applaus mitnimmt, mal verzerrt er sie mit fast modischem Vocoder. Seine Songs garniert er mit überaus höflichen Ansagen und lässt sich, ganz Profi, auch von einer rumpelnden Technik nicht aus dem Konzept bringen. Auf der Bühne baut er nur auf zwei gute Schulfreunde. Souverän bedient Rob McAndrews Sampler und manipulierte E-Gitarre, Ben Assiter hängt schwer über seinem elektronischen Schlagzeug, dem er gewichtige, aber auch erstaunlich schnelle, leichtfüßige Beats entlockt.

Die Songs seiner ganz frühen EPs zeigen in der Rückschau noch mehr Risiko zum Experiment als das natürlich beim ersten Hören durchaus gewöhnungsbedürftige, selbst betitelte Debütalbum. "CMYK" ist so ein Kleinod, in dem Blake mit in schwindelerregende Höhen geschraubter Stimme betört. Aber auch in "Tep And The Logic" lässt er sein Organ auf obskure Weise vibrieren, a ls würde er über einer knarzenden Schallplatte singen.

Am schönsten finden Dub und Soul aber in einer Hitsingle zueinander, die gar nicht von ihm selbst stammt. "Limit To Your Love" ist ein Song der kanadischen Indie-Prinzessin Feist. Blake kreiert daraus live eine faszinierend düstere Dubsession, weitet sie gar zu einer furiosen Remix-Version mit einem Instrumentalteil aus, von dem man plötzlich hofft, dass er niemals enden würde. Als könnte er damit die besungenen Grenzen tatsächlich weiten.

Und auf einmal verwandelt sich der blasse Chorknabe auf der Bühne in einen headbangenden, coolen Typ. Schon jetzt hat dieser Bursche ganze Klanglandschaften neu kartografiert. Wir dürfen nicht vergessen: James Blake steht erst ganz am Anfang.