Das Museum für Kunst und Gewerbe würdigt mit der Design-Ausstellung “Stylectrical“ die Arbeit von Apple-Chefdesigner Jonathan Ive

Hamburg. Auf den letzten Metern vor dem "Stylectrical"-Ausstellungsraum im zweiten Stock des Museums für Kunst und Gewerbe muss die Fangemeinde ganz tapfer sein. Empfangen wird sie dort von einer großflächigen "Memento mori"-Bilderserie, mit der die Kundschaft daran erinnert wird, dass Apple-Produkte zwar oft für Geschenke des Himmels gehalten werden, sie aber keineswegs unsterblich sind.

Im Gegenteil: Man kann iPods, iPads, iPhones und MacBooks formschön überfahren, zertrampeln, schreddern, erschießen, sie mit einem Bunsenbrenner auf kleiner Flamme rösten oder sonst wie kleinkriegen, zeigt dem Anwender diese Galerie des Hardware-Grauens. Und im Inneren der Gebrauchsgegenstände ist stets nur banaler, entzauberter Elektronikschrott. Aber wen interessieren hier die Innereien? Wer versteht schon noch, wie um Himmels willen die Prozessoren all das machen, was sie, gelenkt von unseren Fingerspitzen, mit uns und für uns anstellen? Die schöne, funktionale, begehrenswert machende Hülle, das ist, was zählt und was verkauft. Was ein Produkt mit Bedeutung auflädt und einen Aktienkurs so sehr in die Höhe treiben kann, dass die Firma mit dem angebissenen Apfel-Logo kürzlich zur wertvollsten Marke der Welt wurde.

Seit 1997 ist ein öffentlichkeitsscheuer Brite dafür zuständig, die Produkte aus Cupertino so stilrein zu gestalten, dass der Zeitgeist keine Chance hat, außer sich jubelnd in die Schlange an der Kasse einzureihen: Jonathan Ive ist, seit er damals bei Apple Chefdesigner und Zweitgott neben Steve Jobs wurde, der einflussreichste Industriedesigner der kapitalistischen Welt. Die aktuellen Produkte sind in der Werkschau eher am Rande versteckt, hinten links parkt ein iPad, irgendwo zwischen zwei Kameras ein aktuelles iPhone. Jeder weiß heutzutage eh, wie diese Dinge aussehen. Dafür knubbelt sich am Entree die bunte iMac-Kleinfamilie, mit der Ives Arbeit bei Apple begann. Ende der 90er durfte alles noch harmlos bunt sein.

Die Ernüchterung kam später, und sie war radikal. Weiß, Silber, Schwarz. Erwachsene Zurückhaltung. Schluss mit lustig, nichts soll mehr von der Essenz der Dinge ablenken. Höchstens ein Knopf, das muss seitdem genügen. Und dazwischen immer wieder antik gewordene Erinnerungsstücke auch an die eigene digitale Vergangenheit: Der gute alte Style-Writer-II-Drucker, der immer so schön knatterte; der unverschämt teure Jubiläums-Mac von anno 1997, von dem nur 10 000 Exemplare an total Verrückte verkauft wurden.

Das Erfolgsgeheimnis Ives' ist: Er hat keins. Er hat nur seine Hausaufgaben so gut gemacht wie kein anderer seiner Branche. Denn gutes, zielorientiertes Design gab es schon Jahrzehnte vor ihm: Die Phono-Geräte der Firma Braun, für die Dieter Rams wahre Wunder wirkte, sind zeitlos elegante Klassiker aus einer Ära, in der Musik als gutbürgerliches Kulturgut nur stationär erlebbar war. Der Weißbrotröster von Rowenta könnte auch iToaster heißen. Der futuristisch gebogene Panton Chair sieht aus wie für die gute Stube der Generation Laptop modelliert.

Die gleichaltrigen, dazwischengestreuselten Gegenstände des Alltags - lediglich ein Viertel der 400 Exponate sind made by Apple - wirken hier nur wie Annäherungsversuche an die Ive-Ideallinie, wie Huldigungs-Entwürfe, die es kaum aus dem Schlagschatten des großen Vorbilds herausschaffen. Da kann der Duschkopf noch so apart gestaltet sein und der Turnschuh noch so flott, der Blick des Betrachters wird schnell wieder von selbstironischen Devotionalien wie der kruzifixförmigen iPod-Halterung "iBelieve" angezogen, die "audio salvation" verspricht, Musikgenuss ohne Reue also, praktisch insbesondere für alle, die es beim Download mit den Urheberrechten nicht so genau nahmen.

Auf der Styropor-Verpackung eines Buchs, das Ive für seinen guten Freund entwarf, den Modedesigner Paul Smith, steht dessen Motto: "You can find inspiration in everything." Man kann mit genügend Fantasie aus allem etwas machen. Sogar eine Waren-Welt aus einer Portion Platinen und Prozessoren.