Sie sind das Rückgrat der Hamburger Kulturlandschaft: Die vielen Freundeskreise der Stadt demonstrieren Bürgersinn und Selbstbewusstsein.

Hamburg. Wer Ekkehard Nümann, den Vorstandsvorsitzenden des Kunsthallen-Freundeskreises, je in voller Fahrt erleben durfte, kennt den hochtourigen Tonfall seiner Kampfrufe: "Wir sind hier die Bürger! Das ist unsere Kunsthalle!" So. Erst diese Liebe, egal ob für Theater, Opernhaus oder Orchester, Museum oder Museumshafen, macht aus diesen Bündnissen Herzensangelegenheiten. Darin ist Hamburg besonders groß. Hier ist man nicht nur Stiftungshauptstadt, hier sind auch die Freundeskreise besonders aktiv. Ende 2010, in der heißen Phase des Aufruhrs gegen die kulturbehördlichen Totspar- und Bevormundungsfantasien gab es Szenenapplaus, als Nümann bei einer Diskussion in der Fabrik eines mal klarstellte: Die Freundeskreise dieser Stadt haben mehr Mitglieder als alle Bürgerschaftsparteien.

CDU, SPD, GAL, FDP und Linke kommen auf 23 931 Menschen, dagegen stehen 17 383 Unterstützer der Kunsthalle, 5500 in der Justus-Brinckmann-Gesellschaft des Museums für Kunst und Gewerbe, 1327 beim Altonaer Museum. Und schon - die kleineren Freundeskreise noch nicht mal dazugerechnet - ist die Politik in der Minderheit.

220 Freunde bietet das Schauspielhaus auf, 400 das Helms-Museum, 100 sind es bei der Camerata, 420 beim Museumshafen Oevelgönne, 104 bei Kampnagel, 550 beim Thalia-Theater und 210 bei der Staatsoper, 150 "Kuratoren" und 500 Freunde bei Laeiszhalle und Elbphilharmonie. Da kommt eine Menge zusammen, und nicht nur eine Menge Bares.

Eine mächtig unbequeme Wahrheit ist dieses außerparlamentarisch bestens vernetzte Protestpotenzial, das den Regierungen im Rathaus immer wieder aus dem Gedächtnis zu entgleiten scheint. Alle paar Jahre ist es so weit. Besonders gern wird dann versucht, die selbstbewussten Freundeskreisler aus den Stiftungsräten der großen Museumsstiftungen herauszudrängen. Das klappte 2007 nicht und auch nicht 2010.

2005 hatte die Stadt die grandiose Idee, große Teile des Schauspielhauses zu versilbern. Dass dann auch unter anderem der Fundus und der Malersaal futsch gewesen wären, hatte niemand bemerkt. Erst als der Freundeskreis vor und hinter den Kulissen auf die Barrikaden ging, wurde die Idee annulliert. Damals war Christian von Humboldt-Dachroeden Vorstandsmitglied des Schauspielhaus-Freundeskreises. Nachdem der Verkaufsplan-Spuk vorbei war, gratulierte ihm der frühere SPD-Bürgermeister Voscherau zur APO-mäßigen Idee, jedes Bürgerschaftsmitglied einzeln anzuschreiben.

Auch bei der Kunsthalle merkten viele ihrer Freunde, dass es dort ans Eingemachte gehen sollte, als Karin von Welck mit Teilschließung drohte und Brandschutzklappen als brandgefährlich deklarierte. Die Gegenwehr-Aktion wurde "Flagge zeigen! Kunst ist kein Luxus" getauft. Es gab gut organisierte Proteste und eine Menschenkette. Karin von Welck als Kultursenatorin gibt es nicht mehr. Nümann und seine Kunsthallen-Freunde schon.

Als der Notar 1989 deren Vorsitz übernahm, hatte der 1923 gegründete Freundeskreis 2400 Mitglieder. Mittlerweile sind es gut siebenmal so viele, man hat eigene Räume im Museum und gilt bundesweit als Vorbild für Museen auf der Suche nach Zielgruppen. Besonders gern kopiert wird die in Hamburg entwickelte Idee der "Jungen Freunde".

Andere Freundeskreise, ähnliche Angebote und sehr ähnliche Zielsetzungen. Die Schauspielhaus-Freunde dienen laut Satzung auch der "Volksbildung", im Altonaer Museum geht es ebenfalls um "volksbildende Veranstaltungen". Als dieses Haus 2010 dem Ende nah zu sein schien, wuchs der Freundeskreis um rund 100 Mitglieder. Krisen machen solidarisch. Die Justus-Brinckmänner organisieren auch die jährliche Kunsthandwerksmesse, die Laeiszhallen-Freunde übernehmen die Rechnung für das Großreinemachen in der Beckerath-Orgel. Bei vielen Adressen werden Nachwuchs und Forschung gefördert und Besonderes ermöglicht.

Wo es der Kultur-Immobilie an die Existenz geht, da denkt der Hanseat dann auch nicht mehr nur an die kleinen Freuden der Eintrittsrabatte und Sonderveranstaltungen. Da kann er (die wutbürgerlichen Randale, konzertierte Aktionen von Gängeviertel über Kampnagel bis zum Thalia bewiesen das, bundesweit registriert) ernsthaft sauer werden. Nümanns Formulierung dafür: "Wir haben gezeigt, dass wir kampagnenfähig sind." Dazu gehört auch das Erhalten inoffizieller Information wie jener, dass Kultursenatorin Barbara Kisseler die Idee der Finanzbehörde ablehnte, allen Freundeskreisen den freien Eintritt ins jeweilige Haus zu streichen. Bei zwölf Euro regulärem Eintritt für nur einen Besuch kämen so allein in der Kunsthalle 208 596 Euro im Jahr zusammen.

"Die Kunst ist frei, wenn sie sich frei oder durch Mäzene ihr Material beschafft." Heinrich Böll. Und ein fast schon hinterhältig schön platziertes Zitat auf der Internetseite der Hamburger Opernstiftung. Auch sie zählt zu den großen finanzkräftigen Freundeskreis-Klassikern der Stadt. Eine hanseatisch formulierte Begründung der Opern-Wohltäter für ihr Tun: "Wir Opernfreunde, die wir zumeist aus der Wirtschaft kommen, wissen, dass Zukunftsinvestitionen unerlässliche Voraussetzung für Wachstum und Erfolg sind."

Dass Freundschaftsdienste auch ganz anders aussehen können, beweist ein gerade mal gut zwei Jahre altes Modell. Das Internetradio ByteFM, im Medienbunker an der Feldstraße beheimatet, hat einen Freundeskreis als " GEZ-Ersatz", sagt Sender-Gründer Ruben Jonas Schnell. Rund anderthalbtausend Freiwillig-Bezahler in ganz Deutschland hat die Station; 20 Prozent davon klicken sich in Hamburg ins Freistil-Programm aus Pop, Elektro, Indie, Soul oder Reggae.

Für die Zukunft der vielen Freunde sind einige wichtige Weichen gestellt, der Gegenwind für die Politik im letzten Jahr scheint sich stellenweise in Rückenwind für die Kultur-Förderung verwandelt zu haben. Selbst die Tourismusbehörde sei inzwischen wach geworden, staunt Nümann, "früher musste man einige der Verantwortlichen ja zum Jagen tragen". Zur Klimaverbesserung beigetragen hat ein Treffen von mehr als 40 großen und nicht ganz so großen Freundeskreisen. Die neue Kultursenatorin war gern gesehener Gast und die Stimmung sei gut gewesen. Eine Garantie dafür, dass das stets so bleibt, muss das nicht sein, denn in der hiesigen Kulturpolitik kann man immer wieder mit rabiaten Kurswechseln und Irrläufern rechnen.

Eine bleibende Größe bleibt die Erkenntnis, dass gegen die Freundeskreise auf Dauer keine Kulturpolitik umsetzbar ist. Sie sind das Rückgrat und das gute Gewissen. Sie helfen immer wieder aus, sie helfen immer wieder gern. Dazu kommt das Schlusswort von Schnell: "Die Bereitschaft zum Engagement darf die Politik nicht davon freisprechen, Kultur zu subventionieren."