Die Schau im neuen Militärhistorischen Museum mit seinem kühnen Libeskind-Anbau dürfte auch Waffenliebhaber nachdenklich stimmen

Dresden. Kanonen, Granaten und Bomben gehören so selbstverständlich zu den Exponaten wie Maschenengewehre und Pistolen, Schwerter und Säbel, Jeeps und Panzer, Rüstungen und Uniformen, Orden und Banner. Das Mitte Oktober eröffnete neue Militärhistorische Museum in Dresden bietet alles, was Waffennarren und Militärfans lieben und was auch ähnliche Institutionen von Paris bis Peking, Washington bis Wien im Angebot haben. Trotzdem ist es keine heroische Waffenschau, sondern ein Haus, das dazu angetan sein dürfte, selbst Waffenliebhaber nachdenklich zu stimmen.

Dabei hat dieses außergewöhnliche Museum eine gewöhnliche Militärgeschichte hinter sich: Das riesige Gebäude steht inmitten des im späten 19. Jahrhundert erbauten Kasernenviertels Albertstadt, das damals einer der größten Garnisonskomplexe in Deutschland war. 1873 wurde das neoklassizistische Gebäude als Waffenlager erbaut. 1914, als der Erste Weltkrieg begann, richtete das militärisch meist erfolglose Königreich Sachsen hier sein Armeemuseum ein, dann übernahmen es die Nationalsozialisten, und 1972 machte die DDR das Gebäude zu ihrem Armeemuseum, einer Weihehalle der Nationalen Volksarmee und der deutsch-sowjetischen Waffenbrüderschaft.

Nach dem Untergang der DDR wurde es still um die Waffenschau. Erst 1994 traf der damalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe die Entscheidung, das Dresdner Haus zum Standort eines zentralen Museums der Bundeswehr auszubauen. Wahrscheinlich hat sich der CDU-Politiker damals kaum vorstellen können, was für ein Projekt im Lauf von 17 Jahren daraus werden würde. Eine patriotische Ruhmeshalle des deutschen Militärs stand angesichts der jüngeren deutschen Geschichte nicht zu befürchten, aber eine Ausstellung, die weniger auf die Auswirkung als auf die Faszination militärischer Technik setzt, hielten zumindest Skeptiker für denkbar.

Sie wurden gründlich enttäuscht, denn das Dresdner Museum ist ganz anders. Das zeigt schon sein Äußeres: Wie eine riesige Faust durchbricht ein stählerner Keil das Gebäude und schwingt sich linkerhand des dreiachsigen Hauptportals mehr als 30 Meter in die Höhe. Der 14 700 Tonnen schwere Keil aus Stahl, Glas und Beton ist nicht nur architektonisch spektakulär und verleiht einem eher durchschnittlichen Zweckbau des 19. Jahrhunderts eine einzigartige Prägung, sondern signalisiert zugleich, dass hier Konventionen durchbrochen werden. "Ich wollte einen mutigen Einschnitt und eine grundlegende Störung schaffen, das historische Arsenal durchdringen, um die Wahrnehmung zu verändern", erklärt der amerikanische Architekt Daniel Libeskind. Nach seinem vor zehn Jahren eröffneten Jüdischen Museum in Berlin ist ihm nun auch in Dresden wieder ein spektakuläres Projekt gelungen, gewiss eines der großartigsten neuen Museumsgebäude weltweit. Dem in seine historischen Bauten verliebten Dresden tut diese architektonische "Störung" außerordentlich gut.

Libeskinds Keil weist mit seiner Spitze zur Elbe hin, auf das am jenseitigen Flussufer gelegene Stadion in Ostragehege. Über dem hatte in der Nacht des 13. Februar 1945 ein Masterbomber der Royal Air Force den Scheitelpunkt jenes Areals markiert, der zur Zerstörung vorgesehen war. Mehr als 20 000 Menschen fanden in dieser Nacht den Tod. Andere deutsche Großstädte wurden im Lauf von Wochen, Monaten und Jahren zerstört, in Dresden geschah es in einer einzigen Nacht.

Wer das Gebäude betritt und hinauffährt, um aus 30 Meter Höhe auf die wieder aufgebaute Innenstadt zu blicken, muss erst an historischen Erinnerungsstücken vorbei, die das Trauma von Dresden einordnen: Gleich am Eingang der Aussichtsplattform liegt das Straßenpflaster der polnischen Stadt Wielun, die am 1. September 1939 durch deutsche Bomber zerstört wurde. Von den 16 000 Einwohnern starben 1200.

Das neue Konzept des Museums ist an der Architektur ablesbar: Der moderne Keil und das historische Gebäude bilden eigene Bereiche, die das Thema Militär auf verschiedene Weise darstellen. Im Arsenal wird deutsche und europäische Militärgeschichte in drei Zeiträumen vom frühen 14. Jahrhundert bis 1914, vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg und von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart dargestellt.

Die Ausstellungsgestaltung ist sehr um ästhetische Lösungen bemüht, so sind etwa Hieb- und Stichwaffen zu reizvollen Arrangements gruppiert, die jedoch gleichzeitig den Endruck beklemmender Uniformität vermitteln. Neben Porträts von Herrschern oder Feldherren sind immer wieder Darstellungen zu finden, die die tödliche Realität der Schlachtfelder drastisch ins Zentrum rücken. So ist etwa das Gebiss eines in Waterloo gefallenen Soldaten ausgestellt, das ihm herausgerissen wurde, um es kunstvoll in Elfenbein zu fassen. Es sollte als Zahnersatz für einen wohlhabenden Bürger dienen.

Der Libeskind-Keil beherbergt dagegen insgesamt elf Parcours, die übergreifende Themen beinhalten. Hier geht es zum Beispiel um "Krieg und Gedächtnis", "Politik und Gewalt", "Krieg und Spiel" oder "Leiden am Krieg". In der Verbindung von klassischer Vitrinenpräsentation und modernen Medienstationen erreicht die Ausstellung hier besondere Eindringlichkeit, die aber mitunter an die Grenzen des Erträglichen reicht. Das betrifft besonders die sogenannten Humanpräparate, die im Ausstellungsteil "Leiden am Krieg" nicht ohne Vorwarnung zu sehen sind.

"Wir sind uns dieser Problematik sehr wohlbewusst und haben uns um angemessene Lösungen bemüht", sagt Gorch Pieken, der Wissenschaftliche Leiter des Museums. Die von ihm kuratierte Schau ist drastisch und schonungslos, aber nie voyeuristisch und würdelos. So ist ein Mannschaftsfahrzeug zu sehen, das beim Afghanistaneinsatz 2004 in eine Sprengfalle geriet, wobei mehrere Soldaten verwundet wurden. Fahrzeuge, in denen Soldaten starben, gehören hingegen nicht zur Ausstellung. Neben dem deformierten Bundeswehrfahrzeug sind die originalen Stimmkarten der Bundeskanzler Schröder und Merkel ausgestellt, um zu zeigen, dass der Einsatz aufgrund eines Parlamentsbeschlusses erfolgt ist.

Die Stärke der Ausstellung besteht darin, Krieg so konkret wie möglich vorstellbar werden zu lassen. Besonders eindringlich gelingt das mithilfe einer "Parade", die an einer der Ausstellungswände zu finden ist. "Sie sehen 13 000 vollplastische Figuren. Das entspricht einer Division und zugleich der durchschnittlichen Zahl der Gefallenen, die der Erste Weltkrieg an allen Fronten innerhalb von 48 Stunden gefordert hat - vier Jahre lang", sagt Rieken.

Das Leitmuseum der Bundeswehr nimmt für sich in Anspruch, ohne Pathos auszukommen, eine kritische Auseinandersetzung anzustreben und zum Nachdenken anzuregen. Wer die zahlreichen Besucher in der Ausstellung beobachtet, spürt immer wieder, dass dieser Anspruch eingelöst wird.

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2, Dresden, tgl. 10.00-18.00, Mo 10.00-21.00, Mi geschlossen, bis zum Jahresende Eintritt frei, www.mhmbundeswehr.de