Was macht der Hamburger Musikklubbetreiber auf der Leipziger Buchmesse? Ganz einfach: Er ist jetzt auch Autor. Sein Buch heißt: “So was von da“.

Leipzig. Die Leute schieben sich durch die Gänge der Messehallen, es ist ein einziges Drängen und Ausweichen. In der Ecke mit den antiquarischen Büchern ist es vergleichsweise angenehm, Tino Hanekamp sagt: "Schau mal hier." Machen wir. Da steht "Ignaz Wrobel" in der alten rororo-Ausgabe, und plötzlich fällt es einem wieder ein, hier, auf der Leipziger Buchmesse, wo der Deutschunterricht nur eine ferne Erinnerung ist. Das war doch eines der Pseudonyme Kurt Tucholskys. Wrobel heißt auch der Held in Hanekamps Debütroman, Oskar Wrobel. Dieser Wrobel ist kein Schriftsteller und auch kein literarischer Platzhalter wie im Falle Tucholskys.

Sondern ein Wirbelwind, ein Impresario der Klubkultur und ein Agent der Nacht. "So was von da" heißt Tino Hanekamps Buch, das jetzt erschienen ist, es ist eine Ode aufs Jungsein und auf St. Pauli. Ein Hamburg-Roman, der ein bisschen auch in Sachsen-Anhalt spielt. Im Mansfelder Land, dort kommt Tino Hanekamp her. "Da will niemand leben, aber man will halt immer weg aus der Provinz, aus jeder", sagt Hanekamp, er trägt einen leichten Mantel. Und braune Schuhe, die robust aussehen und trotzdem mitgenommen. Als wäre er mit ihnen vom Harz aus nach Leipzig gelatscht.

Oder als hätten sie viele, viele Nächte im Uebel & Gefährlich erlebt. Nächte, in denen einem das Hamburger Ausgehvolk auf die Füße tritt, als gäbe es kein Morgen. Hanekamp hat den Klub im Bunker vor fünf Jahren gegründet. Jetzt ist er auch noch Buchautor. Einer, der über das geschrieben hat, was ihm in seinen mittlerweile acht Hamburger Jahren widerfahren ist. Vor dem Uebel betrieb Hanekamp mit einem Freund zusammen die Weltbühne. Zwei Jahre, danach war Schluss: Die Weltbühne wurde abgerissen.

Tino Hanekamp geht gemessenen Schrittes über die Leipziger Buchmesse. Und seltsamerweise muss er selbst fast niemandem ausweichen. Die Leute weichen vor ihm aus. "Viele Bücher hier, viel zu viele - wie soll man da etwas entdecken?", fragt er, der 31-Jährige, der jetzt also selbst ein Buch veröffentlicht und nun dazugehört zum zweimal im Jahr feierlich um sich selbst kreisenden Literaturbetrieb. Frankfurt ist ja noch extremer als Leipzig, das weiß auch Hanekamp. Würde er behaupten, er fände die Aufgeregtheit der Buchmenschen toller und existenziell wichtiger als das Kreisen, Glitzern und Leuchten einer Discokugel, wir würden ihm kein Wort glauben.

Aber er behauptet das ja auch nicht und sagt lediglich, dass es ab und an Zeit für etwas Neues ist. Und deswegen ist er jetzt Schriftsteller und geht mit seinem Buch auf Lesereise, nach Leipzig und nach anderswo. Am Abend liest er aus "So was von da" in der Leipziger Moritzbastei, da können die Sachsen dann erfahren, wie es in Hamburg und seinem Nachtleben so ist.

Wie es zugeht im St. Pauli des 23-jährigen Romanhelden Oskar Wrobel, der so enthusiastisch ist wie ein Junger und, manchmal, so weise wie ein Alter. Oskar betreibt einen Musikklub in einem alten Krankenhaus am Ende der Reeperbahn, aber er hat sich mit seinem Kompagnon hoch verschuldet. Und so gibt es nur noch diese eine Nacht, eine letzte. Eine Nacht, in der die Bösen Oskar auf den Fersen sind und die Guten an seiner Seite stehen. "So was von da" ist ein schneller und vergnüglicher, manchmal sentimentaler und manchmal rotziger Adoleszenzroman. "Man lernt etwas bei der Lektüre", sagt Tino Hanekamp und grinst, "nämlich, wie man einen Klub betreibt."

Als er am Morgen aus Hamburg in Richtung Leipzig aufgebrochen ist, sah er in der Bahnhofsbuchhandlung sein Buch. Das hat ihn stolz gemacht. Das Buch ist die Belohnung für eine entbehrungsreiche Zeit, in der er nur noch lebte, um das Uebel und Gefährlich zu schmeißen und Zeilen zu Papier zu bringen. "Das wirkliche Leben war noch viel härter", sagt Hanekamp und meint das Leben für die Nacht. Wer reich werden will, sollte nicht Klubbetreiber werden. "Ach, man sollte überhaupt bei nichts, was man tut, an die Rendite denken." Oft genug hat er sich in den letzten Jahren gefragt, ob er gut genug ist, einen Roman zu schreiben. "Und jetzt erst weiß ich, dass er auch wirklich gut geworden ist." Warum? Ein achtzigjähriger, ehemaliger Literaturprofessor von der Uni hat ihn gelesen. Und für gut befunden.

Das hat etwas zu heißen angesichts eines Buchs, in dem der Held Oskar ordentlich Gas gibt, "denn man muss immer in Bewegung bleiben, sonst verklumpt das Blut".

Oskars Alter Ego Tino Hanekamp bleibt auch in Bewegung. Ein bisschen wird er sich noch umtun an den Ständen der Verlage, zu denen sich Leute schieben, die Sächsisch sprechen. In "So was von da" reden sie hamburgisch und verschwenden sich an einen Musikklub. Oder sie feiern eine verdammt gute Party, bevor jemand die Abrissbirne schwingt.

Tino Hanekamp: "So was von da", Verlag Kiepenheuer & Witsch, 302 S., 14,95 Euro

Sehen Sie hier den Trailer zu Tino Hanekamps Roman von den Regisseuren Timo Schierhorn (Preisträger der deutschen Filmkritik für seinen Experimentalfilm "Nacht um Olympia") und Mathis Menneking ("Mondo Casa", "Play Mas") mit Musik der Hamburger Band 1000Robota:

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