Neil LaButes “Zur Mittagsstunde“ in den Kammerspielen ist zu brav und banal. Meist sorgten die Stücke des amerikanischen Filmemachers für Furore.

Kammerspiele. Es beginnt vielversprechend. Ein Mann kauert im grellen Scheinwerferlicht. Ein durchschnittlicher Büroarbeiter in grauem Anzug, das Haar nach hinten geschleimt. Doch was dieser Nobody mit dem Durchschnittsnamen John Smith erlebt hat, ist alles andere als jedermanntauglich.

Als Einziger seiner 38-köpfigen Bürobelegschaft überlebt er den Amoklauf eines von ihm selbst im Vorbeigehen geschassten Kollegen. Und just in dem Moment ereilt ihn, der sich als "gewöhnliches Arschloch" bezeichnet, eine göttliche Eingebung: Vom Atem Gottes und von einer überirdischen Lichtvision gestreift, fühlt er sich berufen, den Weltverbesserer zu mimen. Der Eingangsmonolog, den Marcus Blum in Neil LaButes "Zur Mittagsstunde" abhält, gelingt eindringlich, selbstentblößend, glaubwürdig.

Es bleibt die überzeugendste Szene an diesem Premierenabend, mit dem der zuletzt in Krefeld und Mönchengladbach wirkende Regisseur Jens Pesel seinen Einstand an den Kammerspielen gibt. An der Regie liegt es nicht allein. Pesel hält sich brav an die Stückvorgaben inklusive des nach jedem Szenenwechsel gleißenden Bühnenlichtes. Siegfried E. Mayer trägt mit wenigen Möbeln und ein paar Lichtwechseln zum Fernsehspielcharakter bei.

Bislang sorgten die Stücke des amerikanischen Filmemachers und Dramatikers LaBute wie "Bash: Stücke der letzten Tage" oder "Fettes Schwein" an der Hartungstraße durchaus für Furore. Hier nimmt sich LaBute eines zutiefst amerikanischen Themas an, eines verbreiteten Hanges zum Irrationalen, das er jedoch zu ungenügend spiegelt.

Die Bekehrung zum besseren Menschen bleibt bei John Smith wenig überraschend, ein Lippenbekenntnis. Ohne Gewissensbisse lässt er sich von seinem skrupellosen Anwalt (aasig: Hans-Jörg Frey) überzeugen, Tatort-Fotos, auf denen er knallhart eine sterbende Kollegin ablichtete, für eine Million zu versilbern.

Die weitgehend banalen Dialoge bilden keine Entwicklung ab

Weitere Medienschelte hält das Stück bereit, als sich Smith in einer Talkshow von einer neurotischen Moderatorin (Anika Pages) vorführen lässt. Auch der Versuch, Ex-Frau Ginger (kraftvoll: Imke Trommler) zurückzugewinnen, ist von Hintergedanken getrieben. "Ich versuche, Gott zu verstehen. Das ist alles", so der hilflose Versuch einer Erklärung.

Im zweiten Teil vermittelt zumindest die - reichlich von Klischees geprägte - Begegnung Smiths mit einer verleugneten Langzeitaffäre und mit der sich prostituierenden Tochter der toten Kollegin so etwas wie Realitätsnähe. Doch die weitgehend banalen Dialoge bilden keine Entwicklung ab. Die Begegnung mit dem nachbohrenden Inspektor (Kai Maertens), der immerhin bekundet, er glaube, die Geschichte stinke zum Himmel, sorgt wenigstens für erheiternde Momente.

Weder wird der Versuch unternommen, tiefer in das metaphysische Bedürfnis des Menschen einzudringen, noch formuliert LaBute wirkliche Kritik am Manipulativen eines Sektierers. Allzu vorhersehbar und spannungsarm entpuppt sich die Offenbarung dann auch als banales Zufallsglück. Und der wenig geläuterte John Smith, von "Samt und Seide"-Darsteller Bluhm als blässlicher Unsympath gemimt, bleibt ein Saulus im Größenwahn.

Zur Mittagsstunde bis 27.11., Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 19, Karten 0800/ 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de

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