Dienstag startet der neue ARD-Vorabend mit den Schmunzelkrimis “Heiter bis tödlich“. Vorbild der fünf Filmreihen ist das “Großstadtrevier“.

Hamburg. Noch mehr Hamburg. Schönes Hamburg. Wer das "Großstadtrevier" sieht, kommt sich oft vor wie im Werbespot des Stadtmarketings: Zwischen zwei Luftaufnahmen vom Hafen rauscht der Peterwagen in Sekunden ab St. Pauli über Barmbek Richtung Veddel und zurück, wo nette Beamte für Leute mit Heimatdialekt das Happy End bereiten. Posterpanoramen, berechenbare Charaktere und viel Lokalkolorit - so geht Unterhaltung vor der "Tagesschau". Seit 25 Jahren.

Denn seit die fiktive Wache 14 Ende 1986 den Dienst antrat, wurde sie zur beliebtesten Vorabendserie in Fernsehland. Kein Wunder, dass sie als Blaupause für die neue Programmschiene dient. Sie heißt "Heiter bis tödlich", vereint Krimi mit Komödie, soll den werbeintensiven Sendeplatz beleben. Und dafür ist kein Vorurteil zu billig.

Schafe. Noch mehr Schafe. Süße Schafe. Mit diesem Holzschnitt Nordfrieslands leitet die ARD von Dienstag an vier neue Serien ab 18.50 Uhr ein. Und nichts, das suggerieren schon die ersten Bilder der NDR-Produktion "Nordisch herb", taugt besser zur Fernsehbespaßung als die Provinz.

Deshalb spielen die vier 16-Teiler fern der Ballungsräume. Deshalb pflegen sie alle Klischees vom Nordseestrand bis zum Alpenrand. Deshalb sind Bayern grantig, Friesen spröde, Westfalen stur und Harzer grenzwäldlerisch. Deshalb muss es in jedem Team für die nötige Reibung einen Städter ins Hinterland verschlagen. Deshalb stellt "Nordisch herb" dem muffeligen Kommissar Jon Peterson (Jan Vockroth) eine Berlinerin (Loretta Stern) zur Seite. Und deshalb startet Teil 1 auch mit Schafen. So soll noch der letzte Tourist, pardon Zuschauer gleich wissen, wo er gelandet ist.

Im schönen, rauen, platten Husum nämlich, das erstaunlicherweise ein Morddezernat, üblicherweise einen dämlichen Chef und haufenweise Trachtenträger aufweist, die dem Auftaktfall zur nötigen Heiter- bis Tödlichkeit verhelfen. Das ist ganz nett, aber nicht halb so lustig wie die Dorfpolizisten im bayerischen Pendant "Hubert und Staller".

Was allerdings weniger an besseren Büchern oder Fällen liegt als an Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau. Die gelernten Komiker haben Jan Vockroth nun mal ebenso das Rüstzeug für Konzepthumor voraus wie dem Juristenteam Martin Lindow und Rike Schmidt ("Richter & Henker") oder Wolke Hegenbarth in "Alles Klara". Das ist zwar alles vergnüglich; Schenkelklopfer sollte man aber nicht erwarten.

ARD-Programmchef Volker Herres hält das trotzdem für nichts weniger als eine Revolution. Und das, obwohl es Kind einer 25 Jahre alten Institution ist. Denn im "Großstadtrevier" schuf Jürgen Roland einst das robuste Gegenstück zum artifiziellen Hauptabendermittler, der Schutzmänner mit Dialekt nur duldet. Bis Jan Fedder ihnen als Dirk Matthies Leben einhauchte, gab es die bloß im Regionalprogramm. Der NDR dagegen erlaubte sogar Solidarität mit Täterbiografien am Vorabend.

Im "Großstadtrevier" ging der Entzauberung des Verbrechens mit forensischen Formaten wie in "C.S.I." so gesehen eine des Verbrechers voraus. Immerhin nimmt es auch die Hauptfigur mit dem Recht gern ungenau, falls es der Gerechtigkeit dient. "Wir haben das Bedürfnis, nicht der Norm zu entsprechen", sagt ihr Darsteller Fedder. Und er klingt wie sein Alter Ego, wenn er hinzufügt: "Das ist viel echter als der ,Tatort'."

Denn der Polizeialltag mag anders aussehen - mehr Frust als Lust bei löchriger Aufklärungsrate und miesem Renommee: Wo die Morde bei "Derrick" bis "Monk" das Gegenteil suggerieren, spielen Kapitalverbrechen auf der fiktiven Kiezwache eine Nebenrolle. Wie im echten Leben, wo bürgernahe Beamte eher unter Klein- bis Gelegenheitskriminellen ermitteln. Doch genau das wird ab Folge 310 wieder 3,5 Millionen Zuschauer fesseln, Wiederholungen im Dritten nicht eingerechnet.

Und zwar explizit wegen eines Humors, der eher Dialogen als Pointenform entspringt. Deshalb stand "Großstadtrevier" Pate für den neuen Vorabend im Ersten und könnte ihm nach all den Desastern von Bruce Darnell bis zur Kuppelshow auch zum Erfolg verhelfen.

Die Frage ist nur: Kann das klappen? Denn da wo die Hamburger Krimiserie auf subtilen Charme setzt, präsentieren die "Heiter bis tödlich"-Formate regionale Kuriositätenkabinette.

"Großstadtrevier" ab Montag, 24.10., 18.50 Uhr

"Nordisch herb" ab Dienstag, 25.10., 18.50 Uhr

"Hubert und Staller" ab Mittwoch, 2.11., 18.50 Uhr

"Henker & Richter" ab Donnerstag, 10.11., 18.50 Uhr

"Alles Klara" ab Frühjahr 2012, 18.50 Uhr

"München 7" ab Frühjahr 2012, 18.50 Uhr