Christoph Schoener organisiert das Musikfest in der Hauptkirche St. Michaelis. Es gibt nicht nur Werke des Thomaskantors zu hören.

St. Michaelis. Michel-Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener kann trotz seines Hangs zu mitunter bissigen Kommentaren auch richtig ins Schwärmen geraten. Etwa beim Thema Franz Liszt: "Was mich an ihm so reizt, ist diese unglaubliche Spannbreite zwischen Theatralik, tiefer Verinnerlichung, zwischen ganz kargen Momenten in seinem Spätwerk und dann wieder diesem ungenierten Pathos!", bekennt Schoener mit verschmitzter Kennermiene.

Die Musik des ungarischen Komponisten sei nur eine Facette der Faszination. "Dann ist da natürlich noch diese schillernde Persönlichkeit. Einerseits war er ein unglaublich erfolgreicher Virtuose, den das Publikum wie einen Popstar gefeiert hat. Später empfängt er die niederen Weihen und lebt 20 Jahre in Rom. Außerdem ist er der wahrscheinlich großzügigste Nachwuchsförderer und uneifersüchtigste Kollege, den man sich vorstellen konnte. Also wirklich eine der spannendsten Figuren im 19. Jahrhundert."

Christoph Schoener schätzt den ungarischen Komponisten - deshalb war das Jubiläumsjahr 2011 für ihn ein willkommener Anlass, dessen Schaffen zu würdigen: Die diesjährigen Bach-Wochen am Michel beginnen - einen Tag vor dessen 200. Geburtstag - mit einem zweiteiligen "Fest für Liszt".

Den heutigen ersten Abend (Beginn 20.15 Uhr) hat Schoener als eine Art "Best-of" angelegt: "Da wird der Pianist Wolf Harden zunächst in der Krypta große Klavierwerke wie die h-Moll-Sonate oder den Italien-Band der ,Années de pèlerinage' spielen; danach gibts Kompositionen für Orgel mit mir in der Kirche. Damit wir uns alle zwischen diesen Monstern ein bisschen regenerieren können, gibt es viele Pausen und einen Imbiss."

Den brauchen vor allem die beiden Interpreten - die meisten Stücke verlangen verdammt flinke Finger. Diese Showeffekte haben für Schoener ihren Reiz: "In Deutschland hat der Begriff 'Virtuosität' so einen negativen Beigeschmack. Auch deshalb wird Liszt bei uns immer noch unterschätzt. Er hat ja auch manche schreckliche Werke geschrieben, keine Frage. Aber wenn die virtuosen Passagen richtig gut gespielt werden, ist das einfach wunderbar. Dann hat die Virtuosität auch als Selbstzweck ihre Berechtigung."

Am zweiten Abend sind morgen (20.15 Uhr) im Altarraum außer weiteren Klavierwerken einige der wenig bekannten Lieder von Liszt sowie seine Orgelvariationen über die Bach-Kantate "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen" zu erleben. Damit schlägt Schoener eine Brücke zum Namensgeber der Bach-Wochen. Liszt gehörte neben Mendelssohn und Schumann zu den ersten Komponisten der Romantik, die das Schaffen des Thomaskantors im 19. Jahrhundert wiederentdeckten.

In seinem Orgelstück variiert Liszt die Bassfigur aus dem "Crucifixus" von Bachs h-Moll-Messe - die steht dann eine Woche später auf dem Programm. Kurz vor Schluss der Bach-Wochen dirigiert der 58-Jährige noch das Deutsche Requiem von Brahms. "Ich fand den Kontrast ganz reizvoll. Wir wissen ja, dass Brahms in einem Konzert von Liszt eingeschlafen sein soll ... Mit seinem protestantischen Requiem bringen wir die hanseatische Musikwelt nach den Ausflügen zur lisztschen Virtuosität dann wieder in Ordnung", sagt Schoener. Und lächelt spitzbübisch.

Bach-Wochen Fr 21.10.-Mi 23.11., Hauptkirche St. Michaelis (S Stadthausbrücke), Englische Planke, Karten zu 12,- bis 25,- unter T. 44 02 98; Infos im Internet: www.michel-musik.de