“Der totale Wahnsinn“: Mit einem sensationellen Auftritt in den Fliegenden Bauten versetzte Sir Bob Geldof sein Publikum in Ekstase.

Hamburg. Die Meinungen im Foyer der Fliegenden Bauten sind eindeutig: "Konzert des Jahres", "dieses Jahr muss ich nirgendwo mehr hingehen", "der totale Wahnsinn". Derjenige, über den dort das Füllhorn des Lobes ausgeschüttet wird, ist gerade 60 geworden und den meisten vor allem als Organisator von Wohltätigkeitskonzerten bekannt: Bob Geldof. "Schön, dass ihr wenigstens ein Lied erkennt", scherzt er, nachdem er den Boomtown-Rats-Hit "I Don't Like Mondays" gespielt hat. Hierzulande ist der irische Sänger und Gitarrist in der Tat auf dieses Lied über einen Amoklauf reduziert worden, die Boomtown Rats hatten in Deutschland nie eine große Fangemeinde. Mit dem Album "Mondo Bongo" schaffte sie 1980 Platz 16 der deutschen Charts.

31 Jahre später rastet das durchaus gesetzte Publikum der Generation Ü 40 in den Fliegenden Bauten aus. Unvermittelt und überraschend. Die Serviererinnen haben gerade die letzten Getränke an die Tische balanciert, als Geldof und seine Band auf die Bühne kommen. Sie legen mit dem schmissigen "The Great Song Of Indifference" los, und die Hälfte der Zuhörer springt von den gemütlichen Sesseln auf und grölt zusammen mit Geldof den Refrain "I Don't Mind". Geldof, mindestens zehn Jahre lang nicht in Hamburg aufgetreten, wird empfangen wie ein verlorener Sohn. "Wir sollten öfter nach Hamburg kommen, es macht Spaß hier", kommentiert er die Begeisterung im Saal.

Das zweistündige Konzert wird dann doch nicht zur alkoholseligen Irish-Rock-Sause mit entsprechendem Kontrollverlust wie etwa bei den Pogues. Dafür hat Geldof zu viel zu erzählen und zu viel erlitten. Er spricht über die düsterste Zeit seines Lebens, als seine Frau Paula Mitte der 90er-Jahre mit INXS-Sänger Michael Hutchence durchbrannte und fünf Jahre später an einer Überdosis starb, er erzählt von seinen Reisen in die afrikanischen Katastrophengebiete und erklärt ausführlich den Text des Boomtown-Rats-Hits "Banana Republic", der von Korruption und sexuellem Missbrauch im Irland der 70er-Jahre handelt.

Im letzten Viertel des Konzerts ist dann wieder ausgelassene Lebensfreude angesagt. Geldof übertreibt nicht, wenn er sagt, dass seine Band zu den besten Combos Großbritanniens gehört und dass sie vor Kurzem Dylans Band an die Wand gespielt habe. Dazu gehört unter anderem Vince Lovepump, ein schwergewichtiger, im Unterhemd auf der Bühne stehender Typ mit einer Visage wie aus einem Mafia-Film von Martin Scorsese. Die kleine Geige passt nicht zu seinen riesigen Pranken, doch Lovepump entlockt ihr zarteste Töne. Das Herz der Band ist Bassist Pete Briquette, der schon zu Rats-Zeiten mit Geldof zusammen musizierte. Und auch Ian Durys Ex-Gitarrist John Turnbull und Keyboarder Alan Dunn setzen immer wieder kleine solistische Glanzpunkte.

Am Ende steht der ganze Saal, klatscht mit erhobenen Händen den immer schneller werdenden Rhythmus, und die Band gibt Gas, als gäbe es kein Morgen. Geldof läuft der Schweiß in Bächen auf den satinglänzenden Anzug, doch er genießt es, wieder und wieder für Zugaben auf die Bühne geholt zu werden. Das Repertoire ist so erschöpft, dass Hamburg sogar die Live-Premiere von "Mary Says" erlebt. Die Ballade ist das schönste Stück auf Geldofs aktuellem Album "How To Compose Popular Songs That Will Sell". Plötzlich ist es ganz ruhig im Saal und jeder lauscht verzaubert der zu Herzen gehenden Lyrik des irischen Gutmenschen. Konzert des Jahres - ohne Wenn und Aber.