Er komponiert höchst selten, jetzt ist der irische Musiker mit neuen Songs in der Stadt und tritt am 11. Oktober in den Fliegenden Bauten auf

Fliegende Bauten. Der erfolgreichste Song, den Bob Geldof je geschrieben hat, datiert aus dem Jahr 1979. Er hatte den etwas plakativen Titel "I Don't Like Mondays" und wird von launigen Radiomoderatoren immer noch in ihren Montagsfrühshows gespielt. Ansonsten findet Geldof im Radioprogramm nicht mehr statt. Daran hat auch sein aktuelles Album "How To Compose Popular Songs That Will Sell" nichts geändert, obwohl es eine ganz hervorragende und durchaus radiotaugliche Platte geworden ist. Nicht einmal Geldofs Popularität hilft ihm da weiter.

Der 60 Jahre alte irische Musiker ist jedermann geläufig als derjenige, der 1985 das "Live Aid"-Konzert und 2004 das "Band Aid"-Konzert organisierte, der mit Politikern über Schuldenerlasse für afrikanische Staaten und die Hungersnöte diskutiert und der bereits zweimal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden ist. Dass Geldof immer noch als Musiker aktiv ist, wissen dagegen die wenigsten.

Hitparadenplatzierungen interessierten ihn heute nicht mehr, sagt er. "Mein neues Album hat sehr viele positive Kritiken in der Musikpresse bekommen. Das zählt für mich mehr als Platz fünf in den Charts. Zumal die Kritiker nicht automatisch auf meiner Seite sind." Natürlich würde es auch Geldof freuen, wenn er mehr CDs verkaufen würde, doch künstlerische Zugeständnisse will er dafür nicht machen. "Ich nehme nur Songs auf, die ich selbst mag. Wenn das Radio sie nicht spielt, habe ich dafür sogar Verständnis. Ich bin eben nicht Lady Gaga oder irgendeine Boygroup." Allerdings begibt sich der von Königin Elizabeth II. für sein soziales Engagement zum Ritter geschlagene Geldof auch nur alle Jubeljahre in ein Aufnahmestudio.

Vor zehn Jahren brachte er "Sex, Age & Death" heraus. Auf diesem düsteren Werk schrieb er sich den Kummer von der Seele, nachdem seine Ex-Frau Paula Yates im Jahr 2000 an einer Überdosis Heroin gestorben war. "In den vergangenen zehn Jahren musste ich mein Leben neu in den Griff bekommen und mich um meine vier Töchter kümmern. Da hatte ich selten die Muße zu schreiben."

"Blow" vom neuen Album knüpft an "Sex, Age & Death" an. Er beschreibt noch einmal die Leere nach Yates' Tod, die Geldof 1995 für den INXS-Sänger Michael Hutchence verlassen hatte, der seinerseits 1997 unter ominösen Umständen zu Tode kam. Doch "Blow" enthält zehn Jahre nach Yates' Tod auch die versöhnliche Zeile "Love will find a way to you".

"In meinem Alter muss man vielleicht keine Platten mehr aufnehmen. Ich kann mich nicht dazu zwingen. Aber manchmal entsteht ein Druck, zu schreiben. Diesem Impuls bin ich jetzt wieder nachgegangen. Aber das passiert nur alle zehn Jahre", sagt er. Vor ein paar Monaten saß er in seinem Haus in Irland und klimperte auf der Gitarre. Am nächsten Tag spielte er wieder und dieselben Läufe kamen ihm in den Sinn. "Ich daddele rum, aber manchmal passiert etwas. Ich komponiere instinktiv." Mit diesen Melodiefragmenten geht er ein paar Häuser weiter zu seinem Freund Pete Briquette, der schon in Geldofs Band The Boomtown Rats dabei war. Mit ihm entwickelt er dann die Songs, Briquette hat "How To Compose Popular Songs ..." produziert und gehört als Bassist zu Geldofs seit 1986 existierender Band.

Geldofs aktuelle CD ist ein positives Werk mit einer zentralen und schlichten Aussage: "Menschliches Leben ohne Liebe ist absurd." In zehn Songs feiert er die Liebe. Und erweist den Beatles und anderen Beat-Kapellen der 60er-Jahre ebenso seine Referenz wie Crosby, Stills & Nash mit ihren Harmoniegesängen. Die musikalische Bandbreite ist immens, denn auch Blues, Gospel und selbst Anklänge an französische Chansons finden sich in den Songs. Das abschließende "Here's To You" enthält sogar zwei Nummern in einer. Nachdem das eigentliche Lied verklungen ist, klimpert Geldof am Klavier einen typisch irischen "Broadsheet song", das sind Lieder, die jeweils mit einer Jahreszahl beginnen und dann Ereignisse aus diesem Jahr berichten. "Ich habe das über mein Leben gemacht. Eigentlich auch tragisch, dass man sein ganzes Leben auf 30 Zeilen reduzieren kann", sagt der inzwischen ergraute Sänger und lacht dabei mit einer rauen Stimme.

Vor einigen Wochen hat er seine Band wieder zusammengetrommelt und in Großbritannien schon eine Reihe von Konzerten gespielt. Geldof hält sie für eine der besten Gruppen Englands. John Turnbull war früher Gitarrist bei Ian Dury, die anderen gehörten unter anderem zu den Combos von Van Morrison und Richard Thompson. "Vor zwei Tagen haben wir bei einem Festival Bob Dylan an die Wand gespielt. Es tut mir fast weh, es zu sagen, weil ich ihn verehre, aber er sollte langsam ans Aufhören denken. Er kann nicht mehr singen", sagt Geldof.

Über Dylan kommt Bob Geldof auf die guten alten Zeiten des Rock 'n' Roll zu sprechen. "Als Dylan, die Beatles und die Rolling Stones in den 60ern angefangen haben, waren Politik und Musik eins. Sie haben Veränderung gefordert. Rock 'n' Roll war damals die Plattform für Veränderung. Ich habe das Ende der 70er-Jahre noch mal mit Punk erlebt. Aber diese Phase der Rockmusik ist vorüber. Welche Musiker kommentieren heute noch die Welt?", fragt er. Er selber fühlt sich zu alt für diese Kommentare. "Ich spreche und debattiere in Foren über den Zustand der Welt, aber nicht mehr in Songs. Das muss eine junge Generation leisten."

Bob Geldof: heute, 19.30, Fliegende Bauten (U St. Pauli), Glacischaussee 4, Karten 39,90; Internet: www.bobgeldof.com