Oliver Hirschbiegel hat die ersten beiden Folgen des Sechsteilers, der im ZDF anläuft, hart und schnell wie einen Mafia-Thriller inszeniert.

Der Papst hat Hochkonjunktur: Benedikt XVI. war gerade zu Besuch. Ein fiktiver Heiliger Vater, gespielt von Michel Piccoli, kommt Anfang Dezember in Nanni Morettis "Habemus Papam" in die Kinos. Und Papst Alexander VI. ist einer der zentralen Charaktere im Sechsteiler "Borgia", der heute im ZDF anläuft und in dem es um die gleichnamige schillernde Renaissance-Familie geht. Der Sender begleitet das aufwendige historische Drama zusätzlich mit der Dokumentation "Der Fall Borgia", die am Mittwoch gezeigt wird.

Alexander VI. wurde 1492 zum Papst gewählt. Als Rodrigo Borgia hatte der Katalane zuvor mit mehreren Frauen zahlreiche Kinder gezeugt. Seine Macht übte er manchmal zum Wohle der Kirche, sehr viel häufiger aber im Interesse der eigenen Familie aus. Das macht schon die erste Folge des Sechsteilers deutlich, an deren Ende der Vorgänger von Alexander VI. (John Doman) Innozenz VIII., den Udo Kier in einer hinreißend dekadenten Sterbeszene spielt, das Zeitliche segnet. Zu Beginn wird der Erstgeborene des künftigen Papstes Pedro Luis ermordet. Sein Vater erkennt danach seine illegitimen Kinder an und versucht mit dreien von ihnen, Juan, Cesar und Lucrezia, seine Macht in Rom zu sichern. Aber er spielt sie auch gegeneinander aus.

Draufgänger Juan (Stanley Weber) ist der Lieblingssohn seines Vaters. Mark Ryder verkörpert den durchtriebenen Cesare Borgia. Der Renaissance-Fürst war das Vorbild für Machiavellis "Il Principe", ein Buch über den Prototypen des machtbewussten, grausamen Herrschers. Dazwischen kämpft noch Lucrezia (Isolda Dychauk), die Schwester der beiden, um ihren wahren Platz im Leben. Sie wird mehrfach aus strategischen Gründen gegen ihren Willen verheiratet.

***Eine mächtige Familie***

Italien ist Ende des 15. Jahrhunderts ein zerrissenes Land. Alexander VI. scheitert beim Versuch, es zu einen. "Borgia" ist ein drastisches Sittengemälde des ausgehenden Mittelalters, eine Skandalchronik, ein Krimi, ein Politdrama und eine Soap-Opera um Kirche, Staat und Familienehre. Die Borgias sind fast wie eine Mafia-Familie, "Der Pate" lässt grüßen. Da wird intrigiert, fremdgegangen, Hände werden auf den Tisch genagelt, ein Mann durch die besonders grausame Methode des "Zerschlagens" getötet. Fiebrige Krankheiten behandelt man schon mal mit "Fango"-Packungen aus Schweinekot. Tatsächlich wurde die spanische Schauspielerin Assumpta Serna, die eine Geliebte von Rodrigo Borgia. spielt, aber nur mit warmer Schokolade bedeckt.

Das Drehbuch zu "Borgia" hat der Amerikaner Tom Fontana geschrieben, der von sich sagt, er sei "besessen von Päpsten". Mehr als 300 Bücher über dieses Thema hat er in seiner Bibliothek. Er war um historische Genauigkeit bemüht. "Viele stürzen sich gleich auf die sensationellen Gerüchte. So soll Lucrezia drei Ehemänner ermordet haben, aber das stimmt nicht. Außerdem soll sie mit ihren Brüdern und mit ihrem Vater geschlafen haben. Aber dafür gibt es keine Beweise."

Gedreht wurde nicht etwa an den historischen Originalschauplätzen. Vielmehr wurden in Tschechien der Petersplatz und die Sixtinische Kapelle in Originalgröße nachgebaut, Letztere in dem Zustand, bevor Michelangelo sie mit seinen Fresken verschönerte.

Zur internationalen Besetzung gehört neben Kier mit Andrea Sawatzki ein weiterer deutscher Star. Sie spielt Adriana de Mila, eine Cousine von Alexander VI. Erstmals wirkt sie in einem in englischer Sprache gedrehten Film mit. In ihrer kleinen Nebenrolle hat sie aber kaum Gelegenheit zu glänzen.

Einer der Produzenten von "Borgia" ist Jan Mojto, der sich mit seiner Firma EOS Entertainment auf internationale Event-Produktionen spezialisiert hat. Und der Renaissance-Stoff erweist sich als ein Exportschlager: In mehr als 40 Länder ist der deutsch-tschechisch-französische Mehrteiler schon verkauft. In den USA lief in diesem Jahr erfolgreich die Konkurrenzproduktion "The Borgias" als TV-Serie mit Jeremy Irons in der Hauptrolle, die bei uns ab dem 9. November bei ProSieben zu sehen ist.

Bei den ersten beiden "Borgia"-Folgen hat Oliver Hirschbiegel Regie geführt. "Ich wollte so erzählen, als hätte sich alles so heute in der Bronx ereignet", erklärt er seinen Ansatz. Also schnell und hart. Vor den Sexszenen entledigen sich gerade die Frauen in beachtlichem Tempo ihrer Kleider. Sind die Borgias für ihn eine Ausnahmeerscheinung oder vielleicht doch eine ganz normale Familie? "Sie haben die Orgien und Ausschweifungen ja nicht erfunden, sie nur am exzessivsten betrieben. Sie waren aber nicht nur Schmarotzer, sondern auch große Liebhaber und Sponsoren der Kunst, Musik und Architektur. Dabei wurden Spanier damals von Italienern als kulturlos verachtet. 'Katalane' war sogar ein Schimpfwort. Aber viele kulturelle Einflüsse kamen mit den Mauren zuerst nach Spanien, von wo sie sich über das ganze Südeuropa verbreitet haben." Eine Kritik der katholischen Kirche hatte der Hamburger Regisseur mit seiner Inszenierung nicht im Sinn. "Wenn die Borgia rauben, plündern und morden, wissen sie, dass sie eine Sünde begangen haben. Sie sind gottesfürchtig. Eigentlich ist unser Film ein gutes Propagandastück für die Kirche."

Die Geschichte, so Hirschbiegel, sei universell. Italien ist dieser besonderen Familie in einer Art Hassliebe verbunden, wie anderen aktuellen Führungspersönlichkeiten auch. "Rodrigo Borgia war sehr viel klüger und weitsichtiger als Silvio Berlusconi. Die Borgia haben einen hohen Unterhaltungswert. Wenn sie heute leben würden, wären sie dauernd in der 'Gala' oder der 'Bunten' vertreten."

Nach großen Kinoerfolgen mit "Der Untergang" und "Das Experiment" hatte Hirschbiegel mit den internationalen Produktionen "Invasion" und "Five Minutes Of Heaven" weniger Glück. Jetzt kehrt er ins Fernsehen zurück, wo seine Karriere einst begann. Aber am Horizont zeichnen sich auch schon wieder Kinoprojekte ab, zum Beispiel ein Film über eine wenig bekannte Affäre von Lady Diana.

Borgia: Montag ZDF 20.15, 2. Teil: Mi 19.10., 20.15