Ein Maler vergreift sich an seiner Muse. Im “Tatort“ vom Bodensee ermitteln Eva Mattes und Kollegen in einer zerstrittenen Künstlerkolonie.

Ist das Kunst oder kann das weg? Die Kommissare Eva Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) bekommen es im neuen "Tatort" am Sonntag mit den mörderischen Machenschaften einer dubiosen Künstlerszene zu tun. Und ähnlich wie mit manchem abstrakten Kunstwerk verhält es sich auch mit diesem Krimi aus Konstanz. Es stellt sich die Frage: Ist das nun große Kunst oder einfach nur eine langweilige Krimi-Konstruktion nach dem Prinzip "Malen nach Zahlen"?

Ein lüsterner Maler vergreift sich an seiner Muse. Wenig später liegt die verschmorte Leiche des alten Mannes vor dem manipulierten Sicherheitskasten im Hinterhof. Es dauert nicht lange, da muss auch seine herrische Galeristin auf makabere Weise ihr Leben lassen. Auch sie war unglücklich verliebt in die hübsche Muse Susanne (Annika Blendl), die als Bedienung im Künstlercafé arbeitet. Kommissarin Eva Blum, die neuerdings das Angeln als Ausgleich zu ihrem Polizei-Alltag für sich entdeckt hat, und ihr Yuppie-Kollege Kai Perlmann tauchen ein in die Beziehungswirrungen einer Künstlerkolonie am Bodensee. Ein halbes Dutzend verschrobener Kreativer eines Künstlervereins hassen, lieben und inspirieren sich. Da sind der alte Maler und die schrullige Galeristin, die bald ermordet werden. Da sind die verliebte Muse, der verstoßene Musiker, der Schriftsteller mit der Schreibblockade. Neid, Eifersucht und Missgunst prägen ihr Zusammenleben. Sie alle können anscheinend weder ohne noch miteinander.

Die Morde ereignen sich während der heißen Phase vor einer Ausstellungseröffnung. Gegrillt, zerstückelt - die Taten ähneln sich nicht nur in ihrer Grausamkeit. Beide führen auch auf den berühmten Krimiautoren Ruben Rath (Hannes Jaenicke) zurück, der Vorstandsmitglied des Künstlervereins ist. In seinen Romanen "Unter Strom" und "Auf Messers Schneide" kommen die Todesopfer auf ähnliche Art und Weise ums Leben. Anscheinend kopiert ein Wahnsinniger die Taten aus den Bestsellern, die auch Eva Blum bald verschlingt. Oder ist es gar der Autor selbst, der am Bodensee sein Unwesen treibt? Auf jeden Fall sind Blum und Perlmann alarmiert: Es gibt noch zwei weitere Bücher Raths, die nachgespielt werden könnten. "Auf Anschlag" lautet der Arbeitstitel seines neuen Werkes. Ein Scharfschütze läuft darin Amok. Tatsächlich knallt es auch wenig später in der idyllischen Provinz.

Künstlerisch hochwertig gemacht ist dieser "Tatort" in jedem Fall. Wenn Blum und Perlmann durch die kristallklirrende Winterlandschaft um den Bodensee brettern, weiß die Kamera von Conny Wiederhold die Gegend so dramatisch-bezaubernd einzufangen, wie sie auch auf der Leinwand des verstorbenen Malers ihre Berechtigung gehabt hätte. Auch die aquarellschimmernden Szenen, in denen Hobby-Anglerin Blum wie in einem Stillleben ganz allein auf dem Bodensee in ihrem Boot treibt, sehen aus wie gemalt (Szenenbild: Joachim Schäfer). Der Haken jedoch ist der Plot - denn der wirkt recht konstruiert.

Zu dick aufgetragen hat Regisseur Thomas Bohn ("Das Kommando", "Eine Frage des Gewissens") und zu viele verschrobene Künstler, die als Täter infrage kommen, ins Spiel gebracht. Auch sich selbst hat Bohn dabei bedacht und sich mit einer Rolle ins Drehbuch geschrieben. Die Charaktere bleiben jedoch oberflächlich, an Plattitüden fehlt es nicht ("Jeder Mensch hat das Potenzial, einen anderen zu töten"). Dabei ist Bohn Routinier: Für das "Tatort"-Duo Folkerts und Hoppe hat er fünf Fälle geschrieben, in Hamburg ermittelten Robert Atzorn und Tilo Prückner neunmal nach seinem Drehbuch.

Aber auch wenn man sich hier allzu schnell in den etwas abstrusen Irrungen und Wirrungen dieser egomanischen Kunstszene verliert, gibt es neben der sehenswerten Optik auch andere Lichtblicke: Hannes Jaenicke, zuletzt vor allem für bedrohte Tierarten und gegen den Klimawandel weltweit im Einsatz, gibt sich im deutschen TV wieder die Ehre und überzeugt als arroganter, zurückgezogener Schriftsteller mit Starallüren. 24 Jahre ist es her, dass Jaenicke in seinem ersten "Tatort" mitspielte - und darin von Götz George als Schimanski umgebracht wurde.

In "Das schwarze Haus" spielt er die anderen Protagonisten ohne viele Worte als herrlich eitler, PR-geiler Romancier an die Wand. Die Beziehung zu seiner Haushälterin und seinem scheinbar größten Fan Renate (Ursula Cantienti) erinnert an Stephen Kings "Misery" und ist zum Schmunzeln. Auch Eva Mattes und Sebastian Bezzel als eingespieltes Team voller Gegensätze kann man in diesem etwas sperrigen, schön fotografierten Krimi keinen Vorwurf machen. Die Qualität dieses "Tatorts" liegt also, wie so oft in der Kunst, im Auge des Betrachters.

Tatort: "Das schwarze Haus" Sonntag 20.15 ARD