“Enten hätt' ich züchten sollen“ - so heißt das neue Album von Stephan Sulke. Macht er aber nicht, er spielt am Sonnabend in Hamburg.

Komödie Winterhuder Fährhaus. Wenn Sulke früher am Klavier saß, dann nur mit Zigarette, die ihm im Mundwinkel hing. Damals schrieb man zwar noch nicht auf die Packungen, dass Rauchen tödlich sein kann, aber dass es nicht gesund war, hatte sich herumgesprochen. Die Fluppen gaben Stephan Sulke den existenzialistischen Touch, der seinen Konkurrenten Reinhard Mey und Udo Jürgens abging. Sie ließen ihn tiefsinniger wirken als die Kollegen, die es mit Schnurren wie "Die heiße Schlacht am kalten Buffet" oder "Aber bitte mit Sahne" regelmäßig in die Hitparaden schafften.

Das passierte Sulke nur einmal und quasi aus Versehen. 1982, mit "Uschi (mach kein Quatsch)", diesem dahingenuschelten Song, aus dem die komische Verzweiflung über die Folgen der Frauenemanzipation sprach, und der mit den Zeilen endete: "Ich werde morgen früh auch schon zum Standesamt hinlaufen, ich lass mich dort auf deinen Namen taufen, ich ändere den Personalausweis, obwohl ich nicht sehr gerne Tulpenstängel heiß!" Das war zwar textlich nicht weit von Meys "Annabelle" entfernt ("Heut sitz ich vor ihr und hör' mit offenem Mund, / wenn sie für mich doziert, Theorien aufstellt und / ich wünsche, diese Stunden würden nie vergehen. / Ich könnt ihr tagelang zuhör'n, ohne ein Wort zu verstehen"), klang aber nicht gereizt, sondern melancholisch.

Eine gewisse nachdenkliche Traurigkeit schwingt ja in allen 21 Alben mit, die Sulke bis heute gemacht hat. Die beharrliche Moll-Tönung war auch ein Grund dafür, dass Stephan Sulke irgendwann in kleinere Säle umziehen musste. Dazu kamen die Auszeiten, die sich der Liedermacher immer wieder nahm, wenn er der Ansicht war, dass es in seinem Leben "zu viel Leere" und "zu viel Ego" gäbe. Fünf Jahre nach dem "Uschi"-Erfolg tauchte Sulke komplett ab. 1989 macht er eine "private Besichtigungstour um den ganzen Planeten", 1991 tat er sich mit einem Architekten zusammen, um Studios zu entwerfen und zu bauen. Dieser Freund starb 1994, und Sulke wurde am selben Abend gekidnappt und erst Stunden später an der polnischen Grenze wiedergefunden. "Eine Verwechslung", hat er damals gesagt, mit seinen Geschäften hinter den Kulissen der Musikszene habe das nichts zu tun gehabt.

Tatsache ist, dass er erst fünf Jahre später wieder aufgetreten ist. Mit einem Album, das er beziehungsreich "Moll und Dur" nannte. Danach war er mal weg, mal wieder da, mal weg. Mit Alben, die "Ich mach's wieder" hießen oder einfach nur "60". Und immer war die alte schöne Handschrift unverkennbar. Textlich und musikalisch.

Weiß der Himmel, warum er das Wort Liedermacher nicht ausstehen kann. Vielleicht, weil er der letzte Mohikaner ist. Vielleicht, weil er erst spät gelernt hat, das Leben etwas leichter zu nehmen. Was schwer ist für einen, dessen Eltern Nazi-Deutschland fluchtartig verlassen mussten und der seinen Vater früh verloren hat. "Ich weiß nicht, warum die Melancholie so einen schlechten Ruf hat", sagt Sulke heute. Aber er sagt auch, dass er heute nicht mehr denkt, das Glück könnte nur ganz weit weg zu finden sein.

Inzwischen ist er unglaubliche 67 Jahre alt. "Mensch, das ging aber schnell! Wumdibum, Halbzeit rum" hieß der lakonische Titelsong des Albums von 2009. Auf dem neuen - " Enten hätt' ich züchten sollen" - gibt es einen Zusammenschnitt alter und neuer Lieder.

Schwungvoll arrangiert zwischen Pop, Chanson und Schlager. Mal klingt es jazzig, mal gibt es ein paar Mambobeats, mal etwas Bigband-Sound. Schön unverkrampft hört sich das an, und das Duett mit "la rossa" Milva - ja, die gibt es auch noch! - setzt dem Ganzen lässig die Krone auf.

Stephan Sulke ist wieder da. Oder immer noch. Ganz wie man will. Heimweh nach dem Publikum habe er in den langen Pausen immer gehabt, sagt er. Eine richtiggehende tiefe Sehnsucht nach der Bühne. "Du gehst da rauf, machst Musik - das ist unsäglich schön." Über die Zusammensetzung derer, die bis heute zu seinen Konzerten kämen, mache er sich nach wie vor keine Gedanken, sagt Sulke. "Ich versuche auch nicht, mit der Jugend anzubändeln." Vielleicht sei das aber ja genau der Grund, warum die Jüngeren durchaus zu seinen Auftritten kämen. "Da sitzen jedenfalls nicht nur Greise!"

In Deutschland lebt er schon lange nicht mehr. Irgendwann hat er sich ein Haus an der Cote d'Azur zugelegt. Aber die Sehnsucht nach der Sprache ist geblieben. Die frühen Versuch, auch auf Englisch oder Französisch zu singen - 1963 hat Sulke, der sich in Frankreich "Steff" nannte, dort den Grand Prix du Premier Disque gewonnen -, sind längst abgehakt. Deutsch ist sein Metier. Mit einem salopp berlinerischen Unterton, den er drauf hat wie kein anderer und der viele seiner Lieder unbeschadet durch die Jahrzehnte getragen hat. "Weißte noch, wie wir lebten in dem Mauseloch - in dem miesen grauen Kämmerlein war's so kinderleicht, verliebt zu sein", heißt es in einem dieser Songs, der so traurig schwungvoll das "Weißte noch, weißte, weißte, weißte noch" zum Refrain macht.

An diesem Wochenende kommt Stephan Sulke ins Winterhuder Fährhaus. Und da man nie weiß, wann es diesem Mann wieder gefallen könnte, sich für eine Weile abzusetzen, sollte man die Gelegenheit nutzen und hingehen.

Stephan Sulke "Enten hätt' ich züchten sollen", Sa 8.10., 20.00, Komödie Winterhuder Fährhaus (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstraße 13, Karten 24,- u. T. 480 680 80; www.komoedie-hamburg.de