Das Untergangsszenario “Melancholia“ zeigt Lars von Trier in bestechender Spätform.

In Zeitlupe läuft Claire (Charlotte Gainsbourg) über einen Golfplatz. Auf dem Arm trägt sie einen kleinen Jungen und sinkt beim Laufen tief in den Rasen ein. Ihre Schwester Justine (Kirsten Dunst) treibt im Hochzeitskleid langsam in einem Teich, umgeben von Seerosen. Vom Himmel regnet es dazu tote weiße Vögel, schwarze Pferde stürzen dramatisch. Alles ist in ein unwirkliches Licht getaucht und wird von Wagners Vorspiel zu "Tristan und Isolde" untermalt. Mit dieser acht Minuten langen ebenso schönen wie schaurigen Ouvertüre stimmt Lars von Trier sein Publikum auf das Katastrophenszenario ein.

Die neurotische Justine (Kirsten Dunst) ist auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit Michael (Alexander Skarsgard) mit der Stretchlimo stecken geblieben. Natürlich kann es mit der folgenden Feier in einem prächtigen Herrenhaus danach nicht klappen. Die Eltern der Braut (Charlotte Rampling, John Hurt) überbieten sich an Gehässigkeiten. Alles läuft aus dem Ruder. Die Depression holt Justine wieder ein.

Im nächsten Teil des Films steht ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) im Vordergrund. Der Planet Melancholia ist auf Kollisionskurs mit der Erde, und die tatkräftige, solide Ehefrau und Mutter weiß vor Angst kaum noch wohin. Ihr Ehemann John (Kiefer Sutherland) versucht nüchtern und wissenschaftlich auf das Unausweichliche zu blicken. Je mehr sie aus dem Ruder läuft, desto ruhiger wird die an Ausnahmesituationen gewöhnte Justine.

Das Ende der Welt. Darunter macht es Lars von Trier in "Melancholia" nicht. Apokalyptische Szenarien haben zwar schon viele Regisseure auf die Leinwand gebracht, aber keiner so opulent, so verstörend schön. Aus der intimen Nähe, den mit der Handkamera entstandenen Bildern und Special Effects mixt er beeindruckend Endzeitvisionen und Reflexionen über den Wahnsinn. Kirsten Dunst liefert als Neurotikerin die wohl beste Leistung ihrer bisherigen Karriere ab, in Cannes wurde sie dafür ausgezeichnet.

Nach seinem vielleicht uninspiriertesten ("The Boss Of It All") und seinem umstrittensten ("Antichrist") Film liefert der dänische Regisseur nun mit "Melancholia" eines seiner besten Werke ab. Wo soll das hinführen? Von Trier weiß es schon. Der nächste Film soll extrem langweilig werden, kündigt er an und ist sich sicher: "Das Publikum wird ihn hassen."

Bewertung: überragend

Melancholia Dänemark, Schweden, Frankreich, Deutschland 2011, 135 Min., ab 12 J., R: Lars von Trier, D: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Charlotte Rampling, täglich im Abaton, Holi, Koralle, Zeise; www.melancholia-derfilm.de