Oder doch? Varianten der Apokalypse gibt es zuhauf

Kataklysmus, Apokalypse, Ragnarök, Doomsday. Der Weltuntergang hat viele Namen. Und ebenso viele Varianten. Aber dass es kommen wird, das Ende mit Schrecken, davon sind nicht nur die Religionen überzeugt. Die Naturwissenschaft verspricht, dass mit Sicherheit früher oder später etwas Grässliches passieren wird, das die Menschheit - oder gleich den ganzen Planeten - vernichten wird. Und Kulturschaffende werden nicht müde, immer neue Versionen der ultimativen Katastrophe und des Umgangs der Menschen mit ihr zu Papier oder auf Zelluloid zu bringen, zuletzt Regisseur Lars von Trier in "Melancholia".

In den Glaubensgemeinschaften dient der Weltuntergang als kathartischer Moment, als Übergangspunkt zwischen Erde und Himmelreich oder zwischen Weltzeitaltern. Er ist ein probates Druckmittel. Und trotzdem eine Verheißung. Denn stets wird die Welt aufgeteilt in Rettenswerte und nicht Rettenswerte. Die Gläubigen werden mit Schreckensbildern von ewiger Verdammnis oder Auslöschung zur Einhaltung von Geboten und Vorschriften angehalten. Zur apokalyptischen Peitsche gesellt sich das Zuckerbrot in Gestalt verschiedener Versionen des Himmelreichs. Wer sich an die Regeln hält, wird belohnt, alle anderen sind dem Untergang geweiht.

Einen solch überirdischen Silberstreif am Horizont kennt die naturwissenschaftliche Variante nicht. Wenn er kommt, der Meteoriteneinschlag oder der gigantische Vulkanausbruch, hilft kein Beten, beschützt kein überirdisches Wesen die Seinen. Einziger Lichtblick sind die Zeitspannen, in denen Geologen und Astronomen rechnen: Dass irgendwann irgendetwas Verheerendes passieren wird, ist sicher. Doch könnten bis dahin noch 1000, 10 000, 100 000 Jahre vergehen. Ein schwacher Trost, aber immerhin.

Die Unterhaltungsindustrie Hollywoods bedient sich zumeist einer Mischung aus Fatalismus und Hoffnung: Zwar ist die Katastrophe selbst nicht aufzuhalten, geraten Technologien fast schon zwanghaft außer Kontrolle, bedrohen Stürme, Asteroiden und Vulkane eine hilflose Menschheit. Doch immer bleiben einige wenige Tapfere verschont, und das Leben nach der Apokalypse geht weiter. Nicht in einem Himmelreich, sondern in einer ins Feindliche verkehrten Umwelt. Dort genießen die Überlebenden nicht mehr den Schutz zivilisatorischer Annehmlichkeiten, sie sind auf sich selbst zurückgeworfen, müssen sich bewähren. Raumschiffbesatzungen, durch Ödnisse streifende Gemeinschaften und heldenhafte Auserwählte stemmen sich gegen atomare Wüsten, von Robotern kontrollierte Gesellschaften, Steinbrocken aus dem Weltall. Und triumphieren ein ums andere Mal. Diese Heldenmythen bilden den Kitt zwischen Angst und Hoffnung, machen auf plakative Weise Mut, dass die Menschheit auch den widrigsten Umständen trotzen wird. Und nehmen dem Weltuntergang so ein Stück seines Schreckens.

Doch was passiert, wenn das Ende nicht nur unausweichlich, sondern auch ganz nahe ist? Wenn kein kühner Plan, kein Held und kein göttliches Eingreifen Erlösung verspricht? Wenn die Menschheit ohne Aussicht auf Rettung oder Errettung, auf Gnade oder Nachsicht dem Untergang entgegengeht?

Dem Umgang mit dieser Endlichkeit des Lebens spürt Lars von Trier nach. Während Claire (Charlotte Gainsbourg) verzweifelt, blüht ihre depressive Schwester Justine (Kirsten Dunst) im Angesicht der Katastrophe regelrecht auf, sie entdeckt eine morbide Form des Trostes: Für Justine ist das Ende eines ohne Schrecken. Die Katastrophe verschont niemanden, sie ist der große Gleichmacher, der alle Unterschiede hinwegfegt, alle Differenzen beilegt. Und alles Leiden beendet.