Für viele ist Vinyl schwarzes Gold. Das Filmfest Hamburg zeigt die Dokumentation “Sound It Out“ in Kooperation mit Michelle Records.

Hamburg. Dinge zu sammeln hat für jene, die es nicht tun, oftmals etwas Absonderliches. Der Fanatismus, mit dem den Objekten angehangen wird, scheint für ein soziales Leben zu disqualifizieren.

Wie einseitig dieses Urteil ist, beweist der Film "Sound It Out", der am Donnerstag im 3001-Kino und am Freitag bei Michelle Records zu sehen ist. Regisseurin Jeanie Finlay zeigt in ihrer Dokumentation den Alltag des einzigen unabhängigen Plattenladens in Stockton-On-Tees, einem tristen Städtchen im Norden Englands. Natürlich tummeln sich zwischen eng gestellten Kisten und dicht geklebten Postern allerhand Stereotype. Die Verkäufer Tom und Dave in ihren Band- und Comicshirts. Die Cover von Morrissey bis Meatloaf, von Bon Jovi bis Blondie, die für so manchen Fan eine Ausstellung sind, die kein Museum toppen kann. Und die Kunden (selten Frauen), die durch die vergilbten Hüllen blättern, als stecke dort ein Schatz. Sie sind auf der Suche nach Gold, schwarzem Gold. Doch dieses Stöbern ist keine Handlung, die den bloßen Jagdinstinkt bedient.

"Vinylplatten bergen für mich Erinnerungen und Emotionen", sagt Tom, der seinen Job seit 17 Jahren macht. Nach und nach zeigt der Film das zutiefst Menschliche, das der Sammelleidenschaft innewohnt. Die Techno-DJs, die mit Musik der Arbeitslosigkeit entfliehen. Der Außenseiter, dem Songs die beste Therapie sind. Die Metal-Fans, die in Toms Geschäft einen Ort finden, wo sie einfach sie selbst sein können. Ein Biotop der vermeintlich Andersartigen. Eine Stätte, die Identität stiftet. Eine Zuflucht. Das anzusehen ist aberwitzig und anrührend zugleich.

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"Das ist ein Film, der uns beim ersten Ansehen fast unsere zarten Schallplattenverkäuferherzen brach", sagt Andre Frahm von Michelle Records am Getrudenkirchhof. Dass das Filmfest Hamburg "Sound It Out" in Kooperation mit dem Laden in der City zeigt, ist nur konsequent. Nicht nur, dass gewisse Ähnlichkeiten mit dem charmanten Shop aus dem Film bestehen. Am Freitag startet bei Michelle zudem die Plattenladenwoche, in der Independent-Läden mit Konzerten und Diskussionen auf ihre beherzte Professionalität aufmerksam machen. Im Schaufenster spielt in den kommenden Tagen unter anderem Mimi Westernhagen ihren Bluespop (Mo 10.10., 18.00), Halma üben sich im langsamen Postrock (Di 11.10., 18.00) und Kristof Schreuf bürstet in seinen Liedern die Popgeschichte gegen den Strich (Fr 14.10., 19.00).

Der Hamburger Musiker meint, dass der Kosmos Plattenladen nach wie vor gewissen Regeln unterliegt, egal ob die Branche gerade fette Jahre oder schlechte Zeiten erlebt: "Auf jede Frau, die einen Laden betritt, kommen immer noch neun Männer. Und wenn die eine und die neun anderen eine Frage haben, dann kann es passieren, dass sie nach wie vor an die Sorte Mitarbeiter geraten, die Nick Hornby vor mehr als 15 Jahren in seinem Roman 'High Fidelity' beschrieben hat. Unfreundliche Menschen, die im Leben nichts mehr haben außer Marotten. In Hamburg kenne ich zu diesen Regeln drei Ausnahmen: Michelle, Groove City und Zardoz."

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Da Internet und global organisierte Ketten den kleinen Plattenläden zunehmend Konkurrenz machen, zeigt Michelle am Freitag nicht nur "Sound It Out", sondern lädt auch zum Gespräch mit Fachleuten. Produzent Tobias Levin, Musikmanager Stephan Rath und Jörn Heinecker vom Tonträgervertrieb Indigo beantworten etwa die Frage, wie sich der Preis einer Platte zusammensetzt. Die Experten können aber auch von ihrer eigenen Passion berichten.

"Mir fällt es schwer, an einem Plattenladen einfach vorbeizugehen, ohne den hintersten Winkel zu durchwühlen. Egal ob neue Ware, Raritäten, 1-Euro-Kisten oder Klassiker", gesteht Stefan Rath, der vor allem Soul sammelt, aber auch an anderen Genres nicht vorbeischauen kann. Er ist das beste Beispiel dafür, wie sehr das Begehren des Sammlers Denken und Fühlen antreibt. So, dass er etwa drei Tage in einem Shop in Chicago campierte, bis er auch wirklich alle Platten gesehen hatte. "Eigentlich bin ich erst so richtig glücklich, wenn ich vor lauter Blättern der Stapel schwarze Finger bekomme. Irgendwie finde ich das Suchen und Finden ein wunderschönes, ja fast romantisches Gefühl", sagt Rath. Und genau dieses Glück ist eben nicht online erhältlich.

Tobias Levin bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Plattenläden bedeuten mir alles. Besser als Kaffee und Kuchen. Es ist ernüchternd zu sehen, wie leicht man plötzlich im Internet nicht nur nach Musik sucht, sondern sie auch da kauft." Aber, so betont er: "Wer möchte, dass Plattenläden überleben, muss dort Musik kaufen. Alles andere ist Quatsch."

Sound It Out (75 Min.): Do 6.10., 21.45, Kino 3001 (S Sternschanze), Schanzenstr. 75-77; Fr 7.10., 18.30, Michelle (S/U Jungfernstieg), Gertrudenkirchhof 10, Eintritt frei; www.plattenladenwoche.de