Mit der Wiederaufnahme von “Othello“ kehrt Julia Jentsch als Desdemona nach ihrer Babypause zurück auf die Bühne des Thalia Theaters.

Thalia-Theater. Ein Jahr lang stand Luk Percevals Inszenierung von William Shakespeares "Othello" nicht mehr auf dem Spielplan des Thalia-Theaters, der Grund dafür hätte alltäglicher nicht sein können: Julia Jentsch, die Othellos Frau Desdemona spielt, war in der Babypause. Heute kehrt das hochkarätig besetzte Stück und vom Publikum gefeierte Stück auf die Bühne des Thalia am Alstertor zurück. Dort ist es auch noch einmal am 21. September zu sehen.

Schwarz und Weiß bestimmen Percevals Inszenierung der shakespeareschen Tragödie. Zwei kopulierende Flügel - ein schwarzer steht auf einem umgedrehten weißen - beherrschen die ansonsten schmucklos kahle Bühne. Von oben und von der Seite fällt kaltes Licht, das die Figuren nur zum Teil beleuchtet und dunkle Schatten wirft. Es ist eine düstere Welt, in der nicht die Titelfigur, sondern Othellos Fähnrich Jago (Wolfgang Pregler) im Zentrum steht. Diesem Emporkömmling haben Feridun Zaimoglu und Günter Senkel in ihrer Bearbeitung eine übertrieben zotige Sprache gegeben, er beherrscht sie mit bravouröser Selbstverständlichkeit. Und sie entlarvt ihn, diesen von niedrigsten Instinkten getriebenen Intriganten, genau wie die devoten Floskeln, die er parat hält, sobald die Situation danach verlangt. Zaimoglus Sprache macht den Hass und den Rassismus, aber auch die Liebe, die sich in Shakespeares Text verbergen, wirklich spürbar.

Jago gegenüber steht Thomas Thiemes massiger, in die Jahre gekommener Othello. Seine Karriere ist ihm nicht mehr wichtig, dafür umso mehr seine Liebe zu der deutlich jüngeren Desdemona, von Julia Jentsch mädchenhaft gespielt. Was in ihm vorgeht, sagt er nicht. Wie überhaupt niemand hier über seine Gefühle spricht. Das übernimmt die kongeniale Musik, komponiert und am Flügel gespielt von Jens Thomas. Sie entwickelt mit dem Spiel des Ensembles zusammen Rhythmus und Farbe dieser Inszenierung und spannt den Bogen von Zerbrechlichkeit über Zornesausbrüche und erstickte Verzweiflung bis hin zu Othellos dumpfer Trauer, in die er seine letzten Worte flüstert: "Vorbei - vorbei - vorbei." Othellos Tragödie ist der Untergang einer großen Liebe.

Bereits im Jahr 2003 feierte dieser "Othello" Premiere an den Münchner Kammerspielen. Der ehemalige Thalia-Intendant Ulrich Khuon lud die Inszenierung, die auf vielen internationalen Festivals zu sehen war, später zu den Autorentheatertagen ein, bis sie 2009 gänzlich vom Thalia-Theater ins feste Repertoire übernommen wurde. Oberspielleiter Luk Perceval hatte sie im Gepäck, als er seine Arbeit unter der Intendanz von Joachim Lux in Hamburg aufnahm.

Mit Julia Jentsch kommt zu den "Othello"-Aufführungen dieser Spielzeit eine der herausragenden Schauspielerinnen ihrer Generation zurück auf die Bühne. Ein Jahr war Julia Jentsch in der Babypause. Bis 2006 war die 33 Jahre alte Berlinerin Ensemblemitglied an den Münchner Kammerspielen, anschließend arbeitete sie frei, um vermehrt in Film- und Fernsehprojekten spielen zu können. Unter anderem war sie als Effi Briest in Hermine Huntgeburths Fontane-Adaption zu sehen, 2005 spielte sie die Sophie Scholl in Marc Rothemunds Film über die Widerstandskämpferin. Für diese Rolle wurde Julia Jentsch bei den Filmfestspielen Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet.

Ein Wiedersehen wird es heute auch mit Bernd Grawert geben. Im April hatte der Schauspieler am Staatsschauspiel in Hannover einen schweren Bühnenunfall erlitten. Bei der Premiere von "Herzog Theodor von Gothland", in dem er die Titelrolle spielt, war er in einen sechs Meter tiefen Bühnengraben gefallen. Seine Verletzungen waren so gravierend, dass er im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Er erlitt mehrere Rippenbrüche, außerdem musste ihm eine Niere entfernt werden. Inzwischen geht es dem 48 Jahre alten Schauspieler wieder so gut, dass er auf die Bühne zurückkehren kann. Am Thalia-Theater, wo er seit 2009 zum Ensemble gehört, wird er demnächst wieder neue Rollen übernehmen. Im "Othello" spielt Grawert den Rodrigo.

Othello heute 20.00, weitere Vorstellung Mi 21.9., 20.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor 1, Karten ab 7,-; Internet: www.thalia-theater.de