Viel Beifall gab es für Peter Handkes “Immer noch Sturm“ am Thalia mit Jens Harzer in der Hauptrolle. Kein leichter Theater-Abend.

Hamburg. Peter Handke, der österreichische Dichterfürst im "Pariser Exil", hat es schon immer mit seinesgleichen wie Shakespeare und Goethe gehalten. In seiner ausschweifenden Erzähltheaterprosa "Immer noch Sturm" setzt er sein Alter Ego wie König Lear auf der Heide dem Wortgewitter der Erinnerungen und dem Wind der absurden Weltgeschichte aus. Vor dem trüben Blick seines "Ichs", zelebriert von Jens Harzer, lässt der Autor dann wie im "Faust" die "schwankenden Gestalten" seiner Familie nahen. Die "Bilder froher Tage" und "der guten alten Zeit" weichen rasch dem Krieg, der auch in Handkes slowenischer "Sippe" Feindschaft und Fronten aufrichtet.

Nach der Salzburger Uraufführung feierte die Koproduktion des Thalia-Theaters mit den Festspielen eine minutenlang beklatschte Hamburg-Premiere: Der Applaus galt vor allem Harzer und dem großartig die Sprachtiraden lebensvoll in Figuren und Situationen transformierenden Ensemble.

Der Menschenfeind Peter Handke hat im Manieristen der Empfindsamkeit, Jens Harzer, einen wahren Seelenbruder gefunden. Was jener an pathoshoher und poetischer Sprachkunst aufbietet, übersetzt dieser in die Sprechkunst seines artifiziellen Singsangs, der die Worte bedeutungshell in der Schwebe hält. Erst im gerechten Zorn bei der langen Schlussabrechnung mit dem verlorenen Menschengeschlecht erdet sich Harzers Tonfall, der sonst in zweifelndem Sinnen vor sich hin irrlichtert.

Harzer ist dem Typus nach der geborene Außenseiter, gibt auch den Fremdkörper und Verfemten innerhalb der Familie. Er ist der Spielleiter dieses Kopftheaters, in dem die Figuren Gestalt annehmen für Handkes Requiem auf die getöteten und um ihren Sieg betrogenen slowenischen Partisanen in Südkärnten. Ihnen breitet Katrin Brack ein grünes Grabtuch aus: die "Frau Holle" unter den deutschen Bühnenbildnern, lässt fleißig blattfarbene Flocken schneien, bringt die Bewegung verrinnender Zeit in Dimiter Gotscheffs häufig statische Arrangements.

Der Redefluss oder das Chorsprechen animiert die Schauspieler - solistisch oder in Gruppe - zum Traben an die Rampe, zum Tanzen und Singen, begleitet von Akkordeon (Sandy Lopicic) und Drehleier (Matthias Loibner).

Gotscheff inszeniert Handkes Erzähltheater entschieden als Dichterfantasie, weicht so gewitzt politischen Fragwürdigkeiten aus. Er rückt die Menschen und ihren Überlebenswillen ins Zentrum, wobei einzelnen Schauspielern wie Oda Thormeyer (die Auslacharie!), Hans Löw, Tilo Werner oder Gabriela Maria Schmeide glänzende, weil unsentimentale Szenen gelingen. Kein leichter Abend, doch wer will es im Theater immer einfach haben?

Immer noch Sturm 24.9., 19.00, Thalia-Theater, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de