Hier gibt es Texte mit “Wums“: Das Magazin “Toll“ ist wohl das erste, für das Autoren mit und ohne geistige Behinderung schreiben.

Hamburg. Ein Text mit Wums geht beispielsweise so: "Dieses Wetter können Sie vergessen. Und selber hat es auch alles vergessen. Blitzt es bei Gewitter? Oder doch bei Nebel? Donnert es bei Sonne? Haben wir gerade Herbst? Besser, Sie notieren alles Wichtige, um nichts zu vergessen. Aber selbst das werden Sie kaum behalten können."

Geschrieben hat ihn die 28 Jahre alte Nora Poppensieker. Erschienen ist er in der neuen Zeitschrift "Toll", die sich laut Untertitel als "Magazin für Wundertage" versteht. Das Besondere an dem Titel ist nicht nur, dass er ziemlich gut aussieht. Format und Optik, die Judith Mohr aus der Art-Direktion der "Financial Times Deutschland" verantwortet, erinnern an das "Zeit-Magazin", das bei den Lead Awards im Juni immerhin zum Lead Magazin des Jahres gekürt wurde. Einzigartig ist "Toll" aber, weil hier Autoren mit und ohne geistige Behinderung publizieren.

Und hier kommt der Wums ins Spiel: Silke Burmester, die sonst für Blätter wie "Zeit", "taz" und "Stern" arbeitet und in "Toll" eine Kolumne hat, findet: "Texte von geistig Behinderten sind Texte mit Wums." Sie kam zu dem Projekt, als sie für eine Geschichte über die Schreibwerkstatt Tolle Worte in der Max-Brauer-Allee recherchierte, die der Verein Leben mit Behinderung betreibt. Geleitet wird die Werkstatt von der Journalistin und Kinderbuchautorin Sylvia Heinlein. Sie hatte schon seit Längerem die Idee für ein Magazin wie "Toll". Nun hat der Verein 10.000 Euro für die Produktion einer Nullnummer bereitgestellt.

Möglich wurde die Produktion auch, weil Dienstleister und Mitarbeiter sich mit einer vergleichsweise geringen Entlohnung zufriedengaben. Der Druckkonzern Prinovis habe etwa nur "ein Taschengeld" haben wollen. Dafür sei "Toll" auf derselben Druckrolle und auf dem gleichen Papier wie das "Zeit-Magazin" gedruckt worden, sagt Heinlein. Prinovis habe sogar angeboten, ihr Blatt auf Hochglanzpapier zu drucken. Doch das habe sie dankend abgelehnt. Als Journalistin weiß Heinlein, dass Zeitungsverlage ihren Blättern nur ungern Hochglanzmagazine beilegen. Genau das aber ist ihr Ziel: Künftig soll "Toll" als Zeitungsbeilage daherkommen. Einstweilen schweben ihr vierteljährliche Ausgaben vor. Aber auch monatliches Erscheinen sei möglich.

Die Nullnummer kann vorerst nur über www.toll-magazin.de als PDF heruntergeladen oder via E-Mail ( redaktion@toll-magazin.de ) als gedrucktes Heft bestellt werden. Sie dient vor allem dazu, "Toll" bei interessierten Zeitungsverlagen, Sponsoren und Anzeigenkunden bekannt zu machen. Zu bieten hat das Heft potenziellen Interessenten einiges: Dem selbst gewählten Anspruch, ein professionelles und stylishes Print-Magazin zu produzieren, wird "Toll" dank der modernen Optik und seiner zum Teil poetischen Texte gerecht. Es gibt sogar eine Modestrecke mit behinderten und nicht behinderten Models. Prinzipiell könne man alles in "Toll" finden, sagt Heinlein. "Nur kein Mitleid und keinen Service."

Dafür aber Promis. Der Band Fettes Brot hat das Magazin eine Doppelseite gewidmet. Sie hatte einst mit der Formation Station 17, in der behinderte und nicht behinderte Musiker spielen, den Song "Ohne Regen kein Regenbogen" aufgenommen. Der Schauspieler Christoph Maria Herbst hat einen Text über die Dreharbeiten zu dem Film "Wo ist Fred?" beigesteuert, wo er mit behinderten Kollegen zusammenarbeitete. Und in der nächsten "Toll"-Ausgabe wird womöglich ein Beitrag von Til Schweiger stehen.