Mikael Åkerfeldt, Kopf der schwedischen Band Opeth, hätte gern zur Hochzeit des Krautrock gelebt. Das ist dem Album “Heritage“ anzuhören.

Es gibt etwas, das Mikael Åkerfeldt überhaupt nicht verträgt: Routine, die in bohrende Langeweile mündet. Die quält ihn so sehr, dass er bereit ist, Konsequenzen zu ziehen. Auch wenn er damit ein unkalkulierbares Risiko eingeht. Und unkalkulierbar ist das Risiko tatsächlich, wenn jetzt das zehnte Studioalbum der schwedischen Band Opeth in die Läden kommt. Einer Band, die mal als knallharte Death-Metal-Truppe angefangen hat, dann immer mehr Progrock-Elemente einfließen ließ und heute so klingt, als wären Yes, King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer ihren künstlerischen Gräbern entstiegen. Kein knochensplitterndes Metalgebretter mehr, keine Grunzlaute und Schreie von Frontmann Åkerfeldt, stattdessen vertrackte Melodiebögen und durchgehender Klargesang. Werden die alten Fans damit klarkommen?

"Natürlich könnte es viele geben, die den neuen Sound nicht mögen, aber es gab keine Alternative", erklärt Åkerfeldt. "Ich habe ja versucht, ein paar Songs im alten Stil zu schreiben, doch die klangen furchtbar. Ich hätte sie mir selbst nicht anhören mögen." Also orientierte er sich an dem, was er mag: dem Prog- und Krautrock der frühen 70er. "Ich hätte gerne 1971 in Deutschland abgehangen und Bands wie Amon Düül oder Can live gesehen", sagt der fanatische Plattensammler, dessen Frau sich daran gewöhnt hat, dass der Postbote Tag für Tag dicke Pakete mit Vinyl-Raritäten aus aller Welt anschleppt.

"Heritage" heißt das neue Album, Erbe. Und tatsächlich pflegt Opeth mit großer Hingabe die Erinnerung an eine Zeit, als Experimente möglich waren und kommerzieller Erfolg nur am Rande interessierte. Das war damals ein Minderheiten-Sound und ist es heute noch. Ein Sound, der Zeit braucht. Unmöglich, "Heritage" nach weniger als zehn Durchläufen einigermaßen fair zu beurteilen. Denn: Die Songs wachsen.

Wie das mit vertrackter Rhythmik und Tempowechseln fordernde "The Devil's Orchard" oder das stark von den Frickelkönigen Gentle Giant sowie Miles Davis (die Jazzrock-Phase!) inspirierte "Nepenthe". Immer wieder lässt sich Neues entdecken: zarte Flötentöne hier, ein Pianolauf da, dann ein Keyboard-Teppich, der vom Camel-Klassiker "The Snow Goose" (1975) stammen könnte: für Spurensucher und Kenner ein Genuss. Zumal Åkerfeldt großen Wert darauf gelegt hat, "Heritage" einen altmodischen Sound zu verpassen. Aufgenommen wurde die Platte in dem Studio, in dem ABBA ihre größten Hits einspielte, an dem sich seit den Tagen von "Waterloo" wenig verändert hat. Noch immer stehen hier die Geräte, die nur von einem Hobbybastler wie Besitzer Janne Hansson am Laufen gehalten werden können - sogar ein Mellotron, eine Art antiker Sampler.

Am 3. Dezember kommt Opeth nach Hamburg in die Große Freiheit. Åkerfeldt verspricht neben dem "Heritage"-Material viele ältere Songs, "die wir noch nie live gespielt haben und die wir für die Tour komplett umarrangieren müssen". Es bleibt dabei: Routine ist einfach nicht sein Ding.

Opeth: "Heritage" (Roadrunner); www.opeth.com