Regisseur Klaus Schumacher inszeniert eine packende Fassung des Fernsehfilms “Wut“ im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses.

Hamburg. Ein Faustschlag eröffnet den Kampf der Kulturen zwischen Deutschen und Türken. Wenn gute Worte versagen, spricht die krude Gewalt. Ein Beispiel für das Scheitern des viel beschworenen interkulturellen Dialogs demonstrierte Züli Aladag in seinem kontrovers diskutierten Fernsehfilm "Wut". Die Darstellung des jungen Deutsch-Türken Can, der eine liberale Familie terrorisiert, provozierte Kritik am 2007 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichneten Drama nach dem Drehbuch von Max Eipp. Klaus Schumacher hat es für das Junge Schauspielhaus bearbeitet und inszeniert. Hermann Books toleranter Intellektueller Laub und Jonathan Müllers Can liefern sich ein Duell, in dem beide verlieren.

Schumacher bedient sich der Methode des Dramatikers Roland Schimmelpfennig: Er lässt das Spiel kommentieren, in diesem Fall nicht von den Figuren, sondern von den Erzählern Johannes Nehlsen und Fritzi Oster. Sie beobachten und begleiten das Geschehen. So entsteht Distanz zum Spiel, das ungeachtet der schlaglichtartigen Szenen durch das intensive Ensemble eine erstaunliche Dichte und thrillerartige Spannung entwickelt.

Katrin Plötzky hat dafür einen idealen, weil neutralen Kunstraum geschaffen: kantige weiße Mauern, verwinkelt aufgestellt, durchbrochen von Öffnungen. Zugleich Hindernisparcours und Wohnort, je nach Beleuchtung offen oder geschlossen. Noch wichtiger: Das kühle Ambiente ermöglicht rasche Auftritte, Schauplatzwechsel und Szenenschnitte für den freien Lauf der sich rasant steigernden Gewaltspirale. Der für sein Recht kämpfende Bürger Laub, der dabei zum Rechtsbrecher wird, erinnert an Kleists Michael Kohlhaas. Nicht zufällig hält der Literaturdozent eine Vorlesung über die Novelle. Sein Sohn Felix wird vom Mitschüler Can, der ihm Drogen beschafft, "abgezogen". Als sich der Vater einmischt, antworten Can und seine Gang mit sadistischen Spielchen, setzen Felix (Florens Schmidt), seinen Vater und die Mutter (Christine Ochsenhofer) psychisch und später auch physisch unter Druck.

Die Situation für den als Waschlappen ohne Ehre gedemütigten und durch Eheprobleme belasteten Laub eskaliert - bis die Nerven (auch der Zuschauer) blank liegen. Schritt für Schritt demontiert Book die joviale Fassade des Liberalen. Und Jonathan Müllers Can zieht alle Register eines Jungen, der brutal und zynisch seine Opfer drangsaliert, aber auch zeigt: Can ist ebenso ein Opfer und gibt Gewalt weiter, die er erfährt. Der Vater setzt ihn vor die Tür, die Polizei sucht ihn.

Die Sprachlosigkeit der Figuren, ihre Unfähigkeit zum Dialog, wird weder gedeutet noch zerredet. Genau daraus entwickelt Eipps Stück in Schumachers Regie seine Wucht - und sitzt wie ein treffsicherer Schlag.

Wut 13.9. (11.00), 15.9. (11.00 und 19.00), 11. u. 12.10. (20 Uhr), Malersaal im Schauspielhaus, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de

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