Die Ausstellung “Andaman“ zeigt beeindruckende Aufnahmen des Fotografen Andreas Deffner - Bilder zwischen Ethnologie und Fotokunst.

Galerie Hilaneh von Kories. Zum Frühstück Reis und Linsen. Zum Mittagessen Linsen und Reis. Zum Abendbrot Reis und Linsen - und Fisch. Den fangen die Männer des Stamms der Karen, die auf den Andamanen, einer zu Indien gehörenden Inselkette, leben, tauchend mit einem Speer. In der kleinen, konzentrierten Ausstellung "Andaman" mit Bildern des Fotografen Andreas Deffner, die jetzt in der Galerie Hilaneh von Kories zu sehen ist, hängt auch ein Foto des archaischen Fischfangs unter Wasser. Auf der gegen die Sonne gemachten Schwarz-Weiß-Aufnahme sieht man die Silhouette eines barfüßigen Jägers in den Fluten des Indischen Ozeans mit seinem frisch erstochenen Fisch. Der Mensch - hier, in diesem entlegenen Teil der Erde, ist er Froschmann, Wassertier, seiner Beute in deren Revier ebenbürtig.

Der andamanische Speiseplan zählt nicht zu den Gründen, weswegen Andreas Deffner, 1959 in Osnabrück geboren und ausgebildet an der renommierten Fachhochschule für Gestaltung Bielefeld, zwischen 1999 und 2006 Winter für Winter wochenlang auf der Inselgruppe mit der Kamera unterwegs war. Seit 1992 lebt er, ursprünglich der Liebe wegen, mindestens die Hälfte des Jahres in Tamil Nadu, dem südlichsten indischen Bundesstaat. Dort schloss Deffner Freundschaft mit Angehörigen einer Umweltorganisation, die regelmäßig die Andamanen bereisen. 1999 war er erstmals dabei und lernte mit dem zwischen Indien, Birma und Thailand gelegenen Archipel einen Teil der Erde kennen, der trotz der Jahrhunderte währenden Bemühungen um die restlose Vermessung der Welt zumindest in Teilen noch immer Terra incognita ist. "North Sentinel Island, der westlichsten Insel, bleibt man besser fern", berichtet Deffner. "Die Bewohner beschießen Fremde mit Pfeilen."

Galerie Hilaneh von Kories

Weil Deffner immer wiederkam und weil er geduldig alle Späße über sich ergehen ließ, die die Einwohner sich mit ihm machten, gewann er mit der Zeit Vertrauen und Zuneigung. Anfangs habe er eine "naive Vorstellung vom Stammesleben" gehabt, doch die Klischees im Kopf rieben sich rasch an der Wirklichkeit. "Deshalb habe ich keine schönen bunten Fotos vom vermeintlichen Paradies gemacht." Stattdessen legte Deffner lieber Schwarz-Weiß-Filme ein, wenn die Karen ihn in ihre Hütten ließen. Sie nahmen ihn auch mit in den Dschungel, in ihre Boote und unterzogen ihn unterwegs mancher Mutprobe. Ihre Vorfahren wurden dank ihrer beeindruckenden Zähigkeit und Stärke vor rund 90 Jahren als Forstarbeiter von den britischen Kolonialherren vom indischen Festland auf die Andamanen umgesiedelt.

Die Ausstellung zeigt Porträts und Innenaufnahmen aus den Siedlungen, die auf ein extrem anspruchsloses Leben schließen lassen. Aber Deffner war lange genug in diesen exotischen Gefilden, um zu wissen: "Ein Dorf ist ein Dorf ist ein Dorf. Auch hier wollen die Leute Konsum, vor allem die jungen. Und auch hier wird mir nach spätestens vier Wochen langweilig. Als ich kam, habe ich mich gefragt: Was kann ich hier lernen? Es war Geduld. Und gute Laune. Die Leute dort sind eigentlich den ganzen Tag über gut gelaunt."

Von seinen fotografischen Arbeiten macht Deffner erstaunlich wenig Aufhebens. Dabei haben seine Landschaftsbilder des Dschungels in ihrer schwarz-weißen Stille etwas Überwältigendes. Seine visuelle Gestaltungskraft erweist sich auch daran, wie sich manches karge Interieur seiner Gastgeber in eine Meditation über Licht und Schatten verwandelt oder die vom Mond spärlich beleuchtete Wand einer Hütte in eine abstrakte Strukturstudie. Aus Deffners Porträts spricht neben Alltagswürde auch eine große Freundlichkeit. Sie spiegelt die Offenheit des Fotografen.

Ein Bild zeigt eine Frau mit kalkweißem Gesicht auf einer Lagerstatt. Sie sieht aus wie eine greise Butoh-Tänzerin kurz vor oder nach ihrem Auftritt. Deffner fotografierte die Dame auf Bitten ihrer Familie an ihrem Geburtstag. Weil die Karen selbst nicht so auf die Schwarz-Weiß-Aufnahmen ihres Gastes aus Europa standen, fotografierte er sie für ihren Eigenbedarf auch in Farbe.

Eine kleine Serie von Farbfotos ist auch in der "Andaman"-Ausstellung zu sehen. Die "Post Tsunami Plates" von 2006 zeigen Ansichten der Inseln nach der verheerenden Flutwelle im Dezember 2004. "Was Beton war, ging kaputt", erzählt Deffner. "Die Hütten haben vielfach überstanden."

Andaman, Ausstellung bis 28.10., Galerie Hilaneh von Kories (Bus 6), Stresemannstraße 384 a, Hinterhof, geöffnet Di-Fr 14.00-19.00 u. n. V. Telefon 423 20 10 www.galeriehilanehvonkories.de