Hamburg. Möglicherweise gehen einem die Worte aus, um diesen ungewöhnlichen, gewaltigen Theaterabend zu beschreiben. Denn mag man anfangs noch erstaunt und ergriffen den vielen Schauspielern dabei zuschauen, wie sie aus Wasserflaschen und Gläsern Musikalisches holen, trinken, gießen, spucken, schütten, so kann man nach einer Weile auch ein wenig Überdruss über die ausufernde Textsuada entwickeln.

160 Seiten über den Staudammbau von Kaprun, der mehr als 30 Jahre dauerte und 160 Menschen das Leben kostete, sind nicht das, was man sich von einem aufregenden Theaterabend erwartet. Aber wer Elfriede Jelineks "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz" vom Schauspiel Köln bis zum Ende erlebt, der wird nicht nur belohnt, der wird förmlich mitgerissen von den Wassermassen, die die Bühne fluten und in denen sich nicht nur orgiastisch ein Tanzpaar als Sinnbild entfesselter Natur windet, sondern in denen sich rauschend und rasend Schauspieler den Naturgewalten zu entziehen versuchen, begleitet von einem 40-köpfigen, rhythmisch den Untergang beschwörenden Chor.

Regisseurin Karin Beier gehen in dieser Inszenierung nie die Ideen aus. Überraschend wachsen Musik, Tanz, Choreografie, Masken, Spiel und Bühne zu einem gewaltigen Gesamtkunstwerk. Diese Inszenierung ist sicher das berauschendste, faszinierendste und exzentrischste Theatererlebnis, das man derzeit haben kann. Jelineks Text beschäftigt sich mit Bausünden und menschlicher Hybris. Neben aller Klage über Menschen, die alles technisch Machbare auch verwirklichen wollen - wofür Karin Beier grandiose Bilder findet -, ulkt man sich durch Jelinek'sche Kalauer, lässt eine Putzfrau wie eine Comicfigur quieken oder Sand auf die Bühne rauschen.

Karin Beier, die in zwei Jahren das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg leiten wird, hat gerade zum zweiten Mal in Folge ihr Schauspiel Köln zum "Theater des Jahres" gemacht: "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz" wurde zur Aufführung des Jahres gewählt. Ein grandioser, rauschhafter Abend, kein leichtes Vergnügen, aber ein kleines Wunder.

Das Werk/Im Bus/Ein Sturz Schauspielhaus, 2.10., 19.30, 3.10., 19.00, Karten: T. 24 87 13 oder online über www.hamburger-theaterfestival.de