Philipp Poisel inszenierte sich auf der Stadtparkbühne als Antithese zum Konzept “Popstar“. Vier Bands stellt er seinem Auftritt voran.

Hamburg. Große Popkonzerte arten oft in Effektschlachten aus: Den Blick blenden Massen von Scheinwerfern, Pyrotechnik-Krawall lässt die Trommelfelle erzittern, während sich hinter den Künstlern Deko-Gebirge in den Himmel erheben.

Dieser Maxime des Höher-Weiter-Schneller-Mehr verweigert sich Philipp Poisel nahezu vollständig. Nur das Mehr, das beherzigt er. Vier Bands stellt er seinem eigenen Auftritt voran: Jojo Cumbana, Boy, Andreas Bourani und die Alin Coen Band, dazu zwei Stunden lang er selbst. Die 4000 Menschen vor der Stadtparkbühne erwartet eine Menge Songwriter-Pop. Mit dieser alle vereinenden Genre-Klammer gehen die Musiker allerdings recht unterschiedlich um.

Andreas Bourani spielt ebenso souverän wie erwartbar auf, oooh-eyyyy-ooooht ein ums andere Mal ins Mikrofon. "Nur in meinem Kopf" und die anderen Heuler haben zwar Ohrwurmcharakter, sonst aber nicht viel. Deutlich spannender sind das Duo Boy und Alin Coen samt Band. Auch sie singen von großen Gefühlen und erzählen kleine Geschichten, sind aber musikalisch um einiges interessanter und wirken viel echter als Bourani.

Mangelnde Authentizität kann man auch dem nach zwei Stunden und vier Bands auf die Bühne spazierenden Protagonisten des Abends nicht vorwerfen. Poisel führt in fast allen Facetten seines Auftritts das Konzept "Star" ad absurdum. Die Haare hängen ihm wuschelig ins Gesicht, ein gestreiftes T-Shirt, Jeans und Turnschuhe vervollständigen das alles andere als extravagante Outfit. Poisel scheint ein von sämtlichen Allüren unverstelltes Bild seiner selbst zu haben, gibt sich selbstironisch. Der Hamburger Sommer verlange zwingend nach etwas Kurzärmeligem, "obwohl mir eigentlich furchtbar kalt ist". Statt sich selbst zu überhöhen, erzählt er von vergeblichen Flirtversuchen und Heimweh auf Tournee.

Ob die Anekdote von dem Mädchen aus Paris, dem er auf die Fähre folgte, um sie anzusprechen, stimmt oder nicht, das ist egal. Ob der Teppich, auf dem Poisel steht, tatsächlich "vier Quadratmeter Heimat" sind oder bloß Trödel vom Gebrauchttextilienhändler: genauso. Denn Poisel ist ein Geschichtenerzähler, der mit schlafwandlerischer Sicherheit auf dem schmalen Grat wandelt, der zwischen Autobiografie und Selbstentblößung, zwischen Gefühl und Gefühlskitsch verläuft. "Der Garten von Gettis", "All die Jahre", "Markt und Fluss"; man ist versucht, alle Texte für bare Münze zu nehmen, den Sänger und die Person dahinter gleichzusetzen. Ob das nun die Wahrheit oder bloß eine besonders geschickte Masche ist, die Frage lässt sich kaum beantworten. Der Effekt ist jedenfalls unbestreitbar.

Andere hätten einen Titel wie "Zünde alle Feuer" vielleicht wörtlich genommen, die Gelegenheit genutzt, um sich in Flammen und Feuerwerk zu hüllen. Philipp Poisel steckt zwei Wunderkerzen an seine Gitarre. Und löst damit Jubelstürme aus.