Serie “Vision von St. Pauli“ (5): Unternehmer Andreas Fraatz sieht den Stadtteil 2021 so einzigartig wie heute - kreativ, aber nicht künstlich.

Hamburg. Wie soll es in Zukunft weitergehen mit Hamburg? Für wen soll die Stadt da sein, welche Verantwortung tragen die Bürger - und was bedeutet das eigentlich: "Stadt"? Über diese Fragen will die Serie "Visionen von St. Pauli" diskutieren, exemplarisch an dem sich rasant wandelnden Stadtteil. Das Abendblatt hat dafür Kulturschaffende, Politiker und Wissenschaftler um ihre Meinung gebeten. Den Anfang hat vor Wochen der Architekt und Hochschulprofessor Friedrich von Borries gemacht. Ihm folgten der Leiter des Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber (SPD), die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank und der Krimiautor Frank Göhre mit ihren Visionen des Kiezes entlang der Reeperbahn. In dieser Folge stellt sich Andreas Fraatz sein St. Pauli von 2021 vor, der Enkel des "Kiezkönigs" Willi Bartels. Die Reihe "Visionen von St. Pauli" wird in der kommenden Woche mit dem sechsten Teil fortgesetzt.

St. Pauli wird in zehn Jahren der pulsierende Touristenmagnet Hamburgs für Besucher aus aller Welt sein. Ein Ort, der sich zu einem wirtschaftlich starken Stadtteil entwickelt hat - mit vielen unterschiedlichen Menschen, die dort leben, arbeiten oder sich vergnügen. Touristen werden fasziniert sein von der vielfältigen Kultur- und Gastronomielandschaft. Es wird dort kleine Restaurants mit neuer Küche neben alten, verrauchten Spelunken geben, alte Varietétheater neben In-Klubs, architektonisch beeindruckende Bürohäuser in direkter Nachbarschaft des legendären Rotlichtmilieus. St. Pauli wird auch 2021 ein Ort sein, der authentisch ist, kreativ und ideenreich, aber nicht künstlich. Ein vielseitiges Wohn-, Arbeits- und Amüsierviertel, das nicht abgestaubt und schon gar nicht vernachlässigt wirkt, sondern seine einzigartige Mischung aus Tradition und Modernität jeden Tag aufs Neue lebt.

Um diese Vision zu realisieren, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. St. Pauli muss in ein touristisches Gesamtkonzept eingebunden werden, das den Stadtteil nicht sich selbst überlässt und alle Interessengruppen integriert. St. Pauli darf keine Spielwiese rein profitorientierter Immobilienspekulanten werden, es darf sich aber auch nicht gänzlich der Öffnung verschließen. Auch die Hansestadt wird in den nächsten Jahren einen immensen Wandel vollziehen: die Fertigstellung der Elbphilarmonie als kulturelles Highlight weit über die Grenzen Deutschlands, gar Europas hinaus, die HafenCity als faszinierendes städtebauliches Konzept. Die Konkurrenz zwischen den Stadtteilen wird zunehmen, der Kampf um knappe Mittel wird größer.

Eine Aufwertung St. Paulis ist nicht abzuwenden. Doch bedarf es hierfür Investoren, die mit Weitsicht und Sensibilität die Entwicklung vorantreiben. An vielen Orten ist der Verfall deutlich zu spüren. Marode Wohnblöcke und heruntergekommene Straßenecken geben das Viertel dem Verfall preis. Mit der Errichtung des Empire-Riverside-Hotels haben wir den Grundstein für ein "altes neues St. Pauli" gelegt. Die Ansiedlung von Hotels, Gastronomie und Unternehmen steigert die Kaufkraft und wird ein treibender Motor für die florierende Weiterentwicklung dieses Stadtteils sein.

Dabei wird St. Pauli seine traditionellen Bezugspunkte beibehalten. Erstens der Hafen, der sich 2021 zu einem der wichtigsten internationalen Kreuzfahrtterminals entwickelt haben wird und täglich Scharen von Kreuzfahrttouristen nach St. Pauli treibt. Zweitens die Kultur St. Paulis, die ich auf meinem Streifzug erlebe. Nach einem grandiosen Konzert in der Elbphilharmonie verlasse ich die HafenCity Richtung Hamburger Berg. In einer Jazzkneipe treffe ich auf Touristen, die von der ausgezeichneten Mischung aus Hoch- und Subkultur Hamburgs schwärmen. Drittens das Rotlichtmilieu, das man gerne erlebt, weil es das Erotisierende dieses Stadtteils maßgeblich prägt. Weiter flaniere ich 2021 an modernen Bürohäusern vorbei, in denen sich Kreative Werbestrategien für die Metropolregion Hamburg ausdenken. Vielen Dank, aber für St. Pauli benötigen wir keine Werbekampagne. Mein Blick fällt auf den "Silbersack" - eine Amüsierkneipe, in der sich heute noch Jung und Alt, Reich und Arm treffen. Wie war noch der Slogan früherer Tage? St. Pauli ist für alle da. Auch 2021 wird diese Botschaft den Mythos eines unverwechselbaren Stadtteils weiterleben lassen.

Nächste Woche: Corny Littmann