Andreas Dorau tritt am 12. August mit seinen “Todesmelodien“ beim Dockville-Festival in Wilhelmsburg auf der Vorschot-Bühne auf.

Dockville. Es ist heller Nachmittag, aber in der "Doppelschicht" wird schon ordentlich gezecht. Die Kneipe am Hein-Köllisch-Platz ist nicht gerade der hipste Ort Hamburgs, für Andreas Dorau aber erste Wahl. Hier kann er draußen sitzen und rauchen, wenn er Interviews gibt, zu seiner Wohnung sind es nur ein paar Schritte. Sechs Jahre lang hat man nichts von Dorau gehört, in diesem Sommer hat er ein neues Album herausgebracht. "Ich kann mich nicht vor ein weißes Blatt Papier setzen und anfangen zu schreiben. Ich sammle Ideen, und wenn ich dann genug zusammen habe, fange ich an. Das kann manchmal dauern. Aber wenn man erst mal in Schwung ist, geht es auch flott", sagt er. Seine Antworten sind knapp und präzise, ein Plauderer ist Dorau nicht.

"Todesmelodien" hat Dorau sein neues Album genannt, ein geradezu logischer Titel, denn sieben von zwölf Liedern kreisen um Tod und Vergänglichkeit. Vor zwei Jahren ist Doraus Mutter gestorben, und er war gezwungen, sich mit dem Thema zu befassen. "Aber ich wollte keine klassische Trauerarbeitsplatte machen", knurrt er.

"Todesmelodien" ist ein überraschendes, stilistisch vielfältiges Werk geworden, das zum Genre der Popmusik gehört, aber immer etwas schlagerhaft wirkt - ein Begriff, der Dorau auf die Zinne bringt. "Mit Schlager haben meine Songs nichts zu tun. Ich schreibe keine Liebes- und keine Durchhaltelieder. Der Eindruck entsteht vielleicht durch die Penetration der vielen Refrains. Ich mag Refrains. Oft schreibe ich die Refrains als Erstes." Dass deutschsprachige Musik leicht unter Schlagerverdacht käme, könne er nicht verhindern. Vielleicht hat diese Assoziation mit Doraus erstem Neue-Deutsche-Welle-Hit "Fred vom Jupiter" zu tun, einem fröhlichen Liedchen, das ihn 1981 bekannt gemacht hat, aber über das er nicht mehr sprechen möchte. Er hat es einfach schon zu oft getan.

Mit Schlagern haben seine Lieder in der Tat nichts zu tun, dafür sind die Themen zu abseitig. "Ausruhen" beschäftigt sich mit Menschen im Altersheim, für Dorau ein obskurer Ort, an dem er nie enden möchte; "Edelstein" handelt davon, wie die Asche von Toten zu Diamanten gepresst wird; "Single" besteht aus Wortspielereien zwischen der kleinen Vinylscheibe und alleinstehenden Menschen. "Ich mag nicht, wenn Leute sich als Singles bezeichnen. Es ist ein unschönes Wort", kommentiert Dorau in der ihm eigenen Lakonie.

Seine Art zu reimen und die Wortketten in den Songs lassen sie dennoch komisch wirken. "Edelstein" mit der Zeile "Das könnte ich werden / ein Edelstein auf Erden" hat etwas von einem Nonsens-Text, doch Dorau ist nicht auf Lacher aus, er meint es ernst. "Die Vorstellung, nach dem Tod zu einem Diamanten gepresst zu werden, finde ich reizvoll", sagt er. Den Anstoß zu dem Lied gab eine Zeitungsnotiz über eine Frau, die das mit der Asche ihres Sohnes gemacht hat, aber vor Gericht gestellt wurde, weil dieses Verfahren in Deutschland verboten ist. "Hier darf man leider vieles nicht", bemerkt er knapp und zieht an seiner Zigarette.

Musikalische Hilfe bekam Dorau für die "Todesmelodien" von seinen Freunden Mense Reents und Jakobus Siebels, die auch das Electro-Duo Die Vögel bilden. Inga Humpe sang die Chöre, bei "Rot, Gold, Schwarz" ist Dorau im Duett mit Françoise Cactus von Stereo Total zu hören. Dorau selber tritt vor allem am Klavier und natürlich als Sänger in Erscheinung. Klavierspielen hat er sich selbst beigebracht. "Ich bin zwar ein Dilettant, aber es reicht." Seinen ersten Auftritt in seiner Heimatstadt nach Veröffentlichung der "Todesmelodien" hat Andreas Dorau heute Abend beim Dockville-Festival. Zwischen 20.10 und 21 Uhr steht er auf der sogenannten kleineren Vorschot-Bühne. Nach ihm werden dort noch Egotronic (21.30 Uhr) und der Rapper Marteria (22.50 Uhr) auftreten. Auf der großen Bühne spielen um 21 Uhr Johnossi und um 22.30 Uhr die Editors, die diesjährigen Stars des Dockville.

+++ Das Dockville Festival: im Internet mit Bildern, Blog und Berichten: www.abendblatt.de/dockville +++

Dockville-Festival Fr 12.8.-So 14.8., Wilhelmsburg (S Veddel), Reiherstieg Hauptdeich/Ecke Alte Schleuse, 3-Tage-Ticket 80,-, 2-Tage-Ticket 60,-, Tagesticket 40,-; das komplette Programm unter www.msdockville.de