Ihre neue Platte “Overlook“ hat die amerikanische Singer-Songwriterin Maria Taylor mit Freunden und Verwandten eingespielt – herausragend!

Mit Alabama, im Südosten der USA gelegen, verbindet man schwüle Hitze und verheerende Wirbelstürme, aber keine kalten Tage und Nächte. Obwohl es die sicher auch gibt. Wenn Maria Taylor in dem zarten Lied "Happenstance" von "this cold night in Alabama" singt, hat es mehr mit der Befindlichkeit der 35 Jahre alten Künstlerin zu tun als mit den tatsächlichen klimatischen Verhältnissen. Es ist eine Chiffre für das Gefühl, allein zu sein. Das Cover von "Overlook", ihrem aktuellen Album, passt ebenfalls zu dieser Stimmung. Es zeigt Maria Taylor innerhalb eines Bilderrahmens, in dem sie zusammengekauert sitzt und die Arme um die Beine geschlungen hat. Der Blick ist gesenkt und nachdenklich, die Körperhaltung so, als wolle sie sich in sich selbst verkriechen.

Ihre Songs waren schon immer eine Reflexion ihrer gegenwärtigen Situation und ein Rückblick auf die Wendungen, die ihr Leben genommen hat. Die vorherrschende Stimmung ist, wie schon auf dem Vorgängeralbum "Lady Luck", melancholisch bis düster. In "This Could Take A Lifetime" singt sie darüber, wie schwierig es ist, den Richtigen zu finden, im Blues "In A Bad Way" erinnert sie sich an eine lang verflossene Liebe, "Idle Mind" ist ebenfalls ein düsterer Blick auf die Welt. Die einzige lustige Nummer auf "Overlook" ist der Folksong "Bad Idea" mit seinem ironischen Text und den musikalischen Reverenzen an die 50er-Jahre.

Dabei waren die äußeren Umstände der Aufnahmen von "Overlook" alles andere als kalt und abweisend. Maria Taylor ist für die Produktion in ihre Heimat nach Birmingham/Alabama zurückgekehrt. Mit einigen alten Freunden und ihren Geschwistern hat sie die Songs aufgenommen. Ihr Bruder Macey bedient den Bass, Schwester Kate spielt Marimba und singt im Background-Chor. Die Taylor-Geschwister stammen aus einer musikalischen Familie. Der Vater unterhält ein Tonstudio, in dem er vor allem Werbejingles produziert; seine Kinder begannen alle sehr früh, selbst zu musizieren. Doch Maria ist die Talentierteste von allen. Auf ihrem aktuellen Werk ist sie nicht nur an der Gitarre zu hören, sie sitzt auch hinterm Schlagzeug.

Wer früher Bright Eyes, die Band von Conor Oberst, live erlebt hat, konnte Maria Taylor dort ebenfalls als Trommlerin erleben. Omaha in Nebraska war eine der vielen Stationen der Vagabundin. "Alle vier bis fünf Jahre brauche ich einen Ortswechsel", sagt sie. Die erste Station ihrer Reisen durch die musikalischen Hotspots der USA war Athens/Georgia. Dort sind R.E.M. zu Hause, dort freundete sie sich mit Michael Stipe an, ohne jemals mit ihm zusammen zu musizieren. Er half ihr lediglich einmal beim Text für den Song "Cartoons And Forever Plans".

Von Athens ging es dann nach Omaha in den Schoß des großen Musikerkollektivs, das beim Saddle-Creek-Label zu Hause ist. Azure Ray, das Duo, das Maria Taylor zusammen mit ihrer Jugendfreundin Orenda Fink gegründet hatte, war bei Saddle Creek unter Vertrag, sie spielte bei Bright Eyes und bei Now It's Overhead, und sie war die Freundin von Conor Oberst. Als die Beziehung auseinanderbrach, verarbeitete sie die Trennung im Album mit dem sarkastischen Titel "Lady Luck".

Die nächste Station ihrer Reise war Los Angeles. Hier nahm Maria Taylor vor zwei Jahren ihr viertes Soloalbum auf, und sie traf dort auch Orenda Fink wieder. Zwischen 2001 und 2003 hatten beide drei Azure-Ray-Alben veröffentlicht, diverse Tourneen bestritten. Doch 2005 endete die Zusammenarbeit der Freundinnen, die sich als 15-jährige Teenager in Birmingham kennengelernt hatten. Erst in L. A. kam es zu einer erneuten Zusammenarbeit. "Drawing Down The Moon" wurde im vergangenen September veröffentlicht.

Die unterschiedlichen musikalischen Erfahrungen und die vielen Künstler, die Maria Taylor auf ihren Trips getroffen hat, haben sie zu einer gereiften Musikerin werden lassen, die viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten hat, aber nie stehen bleiben will. Nach dem folkigen und zurückgenommenen Debüt "11:11" folgte mit "Lynn Teeter Flower" eine Platte, die mehr Marias Livesound entsprach. Auf "Savannah Drive" und "Lady Luck" erweiterte sie die Arrangements ihrer Songs um Streicher und Holzbläser.

Bei "Overlook" bricht sie den Folksound endgültig auf. Schon der Eröffnungssong "Masterplan" beginnt mit wuchtigem Schlagzeug und E-Gitarren und changiert zwischen hart und zart. In "Matador" jaulen die Gitarren auf, Rückkopplungen machen es zu einer dissonanten Nummer. Auch in "Like It Does" wird der getragene Orgelsound durch eine vehemente Gitarre durchbrochen. Der verträumte Pop von Azure Ray und die schlichten Countryfolk-Melodien gibt es auf "Overlook" auch, doch es brodelt auf dieser herausragenden Platte an allen Ecken und Enden.

Maria Taylor: "Overlook" (Affairs Of The Heart); www.myspace.com/mariataylor