Mit Mariano Pensotti und Axel Krygier gastieren zwei argentinische Stars vom 11. bis 13. August beim internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.

Kampnagel. Politische und wirtschaftliche Krisen hinterlassen eine Spur der gebrochenen Biografien. Die Menschen in Argentinien können davon mit den Militärregierungen der jüngeren Geschichte und einer schweren Wirtschaftskrise zu Beginn des Jahrtausends ein Klagelied singen.

Mariano Pensottis Performance "El pasado es un animal grotesco" (Die Vergangenheit ist ein groteskes Tier) ist dennoch kein Trauerspiel. Sie erzählt über einen Zeitraum von zehn Jahren (1999 bis 2009) das Leben von vier bürgerlichen Mittzwanzigern, so einer Frau, die ihren Vater bestiehlt und von der Zukunft in der Fremde träumt, einem Mann, der eine abgetrennte Hand zugeschickt erhält. Die Lebenshürden sind heftig, aber sie lassen sich meistern. "Mich interessiert, was passiert, wenn ich fiktionale Charaktere in eine realistische Welt stelle", sagt Pensotti.

Der Autor und Regisseur aus Buenos Aires, Jahrgang 1973, erzählt die Geschichte seiner Generation als groß angelegtes episodisches Epos auf einer Drehbühne. Er ist ein ehrgeiziger Erzähler. "Die Inflation von Theaterstücken über kleine, private Begebenheiten langweilt mich. Ich orientiere mich am Roman des 19. Jahrhunderts, an Gedanken aus Philosophie und politischer Diskussion." Ab Donnerstag ist die Performance auf Kampnagel zum Auftakt des Internationalen Sommerfestivals Hamburg 2011 zu sehen.

Gleich mehrere Künstler reisen dann aus dem südamerikanischen Raum an und geben Einblicke in die dortige Kunstproduktion. In Buenos Aires gibt es nur sieben staatlich subventionierte Theater.

"Zwei davon sind richtig schlimm", erzählt Pensotti. Die freie Szene ist im Vergleich dazu riesig. Mehr als 200 Theater spielen trotz eher symbolischer Zuwendungen jeden Abend vor bis zu 70 Zuschauern. Viele Theatermacher greifen auf Wohnzimmer oder den urbanen Raum zurück. "Unsere Arbeitsbedingungen erlauben uns umgekehrt eine große Freiheit", sagt Pensotti. Die Stücke entstehen über lange Zeiträume. "El pasado ..." konnte er so über ein Jahr dank der Unterstützung einer koproduzierenden Spielstätte realisieren.

Pensotti hat das Glück, seit Jahren in der internationalen Festivalszene gefragt zu sein. Durststrecken überbrückt er mit dem Schreiben von TV-Soap-Operas. Ursprünglich wollte Pensotti mal Filmemacher werden, aber "das Theater ist offener neuen Ideen gegenüber. Es ist der perfekte Ort, all das zu verbinden".

Mit prekären Produktionsbedingungen kennt sich auch Axel Krygier aus. Wie Pensotti stammt er aus der argentinischen Metropole Buenos Aires. Die Musik des 42-Jährigen hat aber weder mit der ausgewalzten Tangotradition eines Astor Piazzolla, noch mit dem dort beliebten Mainstream-Rock zu tun. Auch nicht mit dem angesagten Minimalismus des Cumbia Digital. Krygier ist ein Multitalent, das Flöte, Saxofon und Klavier beherrscht. Außerdem ein Weltempfänger, der Gaucho- und Balkanklänge, Freak Folk, Techno und Jazz zu einem verwegenen Mix amalgamiert. Auf seinem vierten Album "Pesebre" stehen blökende Schafe neben Folkgitarren und elektronischen Rhythmen. "Es geht um Opfer, die Akzeptanz von Leben und Tod, die Familie - aber immer mit Humor", sagt Krygier. Spirituelle Fragen verhandelt er nicht dogmatisch. Wenn Krygier nicht in ambitionierter Heimarbeit Musik produziert, zeichnet und malt er oder illustriert Videofilme. Am Sonnabend tritt Krygier mit einem Quartett beim Sommerfestival auf. Und wem das nicht reicht: Südamerikanisches Flair verbreitet morgen ebenfalls die in São Paulo geborene Sängerin Cibelle mit ihrer Kreuzung aus Bossa nova, Psychedelischem und allerlei Retroklängen.

Mariano Pensotti: El pasado es un animal grotesco 11.8., 20.00, 12./13.8., jew. 21.00, Cibelle 11.8., 22.00, Axel Krygier Sa 13.8., 22.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten zu 12,- bis 22,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de