Washed Out und Chad Valley machen Lieder zum Träumen und zum Feierabend. Einflüsse der 80er-Jahre unter dem Tempo von Lounge-Musik.

Ernest Greene ist Musiker. Aber er ist nicht nur ein auditiver, sondern auch ein visueller Mensch: Die Cover seiner CDs und die Bilder, die von dem 28-Jährigen aus Atlanta im Umlauf sind, haben dieselbe Ästhetik. Sie zeigen junge Menschen. Sie zeigen diese jungen Menschen, wenn sie sich lieben (ohne pornografisch zu sein) oder im Meer schwimmen. Das schönste Bild von Greene ist verschwommen, man könnte auch sagen: verwaschen. Sein Projekt nennt er "Washed Out". Nach der EP "Life Of Leisure" erscheint nun das erste Album "Within and Without", der Sound hat sich erfreulicherweise überhaupt nicht geändert.

Er klingt nach jugendlichem Chill Out und früher Melancholie; hätte er eine Farbe, dann wäre sie die des Sonnenuntergangs. Oder sepia wie Ernest Greens Künstlerfoto. Seine Musik ist auch Chill Wave genannt worden: Unüberhörbar sind die Einflüsse der 80er-Jahre, Synthesizerpop, der elegant ist und oberflächlich auf unnachahmliche Weise. Meist heruntergebremst auf das Tempo der Lounge-Musik der 90er-Jahre. Greenes bislang größter Hit ist der Schlafzimmer- oder Strandbar-Song "Feel It All Around".

Ein Lied wie müde Augen, sie fallen einem fast zu beim Hören, und das ist ein Gütesiegel: "You feel it all around yourself / You know it's yours and no one else", singt Greene. Du fühlst es um dich herum; du weißt, es gehört dir und sonst niemandem. Allgemeiner geht's nicht, wir sind die Chill Out Nation , die keine übertriebenen Grübeleien anstellt und sich im Plüschsofa der beschwerdefreien Wohlstandsexistenz fläzt. Greene hat zu Hause am Rechner angefangen, Musik zu machen. Dann stellte er seine Arbeiten auf MySpace, bekam einen Plattenvertrag und verfolgte, wie die Hörer seinem Sound einen Namen geben wollten.

Neben "Chill Wave" waren "Glo-Fi" und "Hypnagogic Pop" (was immer das heißen mag) die am liebsten verwandten Begriffe. Die Musik von Washed Out ist einfach produziert, und hypnotisch ist sie auch. Es gibt eine Reihe von sehr talentierten Musikern, die im weiten Feld der "Electronica" genannten Musik-Gattung zu Hause sind. Sie entsteht oft am PC, kommt aber nicht ohne eine profunde Kennerschaft aus. Künstler wie der unter dem Moniker "Baths" auftretende Will Wiesenfeld und Greene verlassen sich nicht auf das fröhliche Fiepen aus der Maschine und den trägen Beat, der aus den Boxen tropft.

Sie haben ein untrügliches Pop-Gespür. Nach dem reduzierten Sound der EP "Life Of Leisure" sind die neuen Songs nun etwas aufwendiger produziert. Greene ist für die Aufnahmen ins Studio gegangen, und live tritt er mittlerweile mit Band auf. Er habe bei den Aufnahmen, sagt Greene, darauf geachtet, "wie sie live klingen". Wahrscheinlich öffnen sich den Konzertbesuchern Räume wie auf der Kinoleinwand.

Songs wie die erste Single "Eyes Be Closed" schweben lässig durch den Äther. Braucht keiner zu schwitzen. Hier werden die Flügel weit ausgespannt, und in der Zugluft ist es kühl.

Hugo Manuel wiederum ist eigentlich Mitglied der englischen Band Jonquil, als "Chad Valley" ist er nun auch Solokünstler. Hier übt er sich als Frickeler und Tonsetzer mit leistungsstarkem technischen Gerät. Die erste EP heißt "Equatorial Ultravox" und versammelt sieben Stücke, die im weitesten Sinne Synthie-Pop sind. In Sachen Verträumtheit und Melodiösität stehen sie Greenes Washed-Out-Kompositionen nichts nach. Manuel ist so nostalgisch wie Greene, er hat in der 80er-Jahre-Abteilung (Human League!) seiner Plattensammlung gestöbert. Der Song, der am stärksten leuchtet, heißt "Fast Challenges" und hätte auch gut auf jedes Daft-Punk-Album gepasst. Weil Daft Punk sich nirgends lieber als bei den Tönen der 80er bedient haben.

Prägnante Synthesizer-Melodien, eine Stimme, die abwechselnd im Falsett singt und sich durch den Vocoder presst, ein entspannter Beat und eine grundsätzliche Anmutung, die ein Gefühl der Sehnsucht und der Schwelgerei hervorruft: Das kann man so bringen.

Manuel hat sein Stück einmal so erklärt: "'Fast Challenges' sollte das Gefühl einfangen, das man hat, "wenn man morgens aus dem Klub heimkommt und eigentlich weiterfeiern will, sich aber ständig dabei erwischt, wie man in den Schlaf abdriftet. In diesen Momenten kann Musik einen wirklich beeinflussen. Sleep-Disco."

Das kommt der Sache ziemlich nahe, denn Chillen ist ja, auf gewisse Weise, nur ein Lehnwort aus dem Englischen, das etwas freier "Dösen" bedeutet. Wer einen Soundtrack im Park braucht und eine Geräuschkulisse, die das Vorüberziehen der Wolken orchestrieren, für den sind Washed Out und Chad Valley ziemlich gute Tipps. Die empfehlenswerten CDs eint auch, dass sie aus der Zeit gefallen scheinen, weil sie zeitlos sind.

Washed Out: "Within And Without" (Domino)

Chad Valley: "Equatorial Ultravox EP" (Cooperative Music)