Das Nachrichtenmagazin trennt sich von seinem Chefredakteur Wolfram Weimer - damit scheitert wieder die Doppelspitze einer Redaktion.

Hamburg. Erklärungen des Scheiterns lassen immer Spielraum für Interpretationen. So auch die Erklärung, mit der der Burda-Verlag gestern bekannt gab, dass Wolfram Weimer, 47, nicht mehr Chefredakteur des "Focus" ist. Der Verlag sei Weimer "dankbar für die geleistete Arbeit und sein großes Engagement bei der Positionierung des ,Focus'", heißt es da. Der von Weimer "begonnene Weg der inhaltlichen Erneuerung wird mit aller Konsequenz weiter verfolgt". Nur eben nicht von Weimer. Sondern von Uli Baur, 55, der zusammen mit Weimer die Doppelspitze des Magazins bildete.

Damit scheitert erneut eine Doppelspitze einer deutschen Redaktion. Im Frühjahr gab der "Spiegel" das Doppel-Chef-Konzept auf: Georg Mascolo hat seitdem beim Heft das alleinige Sagen, Mathias Müller von Blumencron kümmert sich um die digitalen Angebote des Verlages. Dass eine Doppelspitze funktionieren kann, zeigt der "Stern": Seit 1999 sind Andreas Petzold und Thomas Osterkorn Chefredakteure des Magazins. Es kommt also auf die Chemie an. Und die hat offenbar bei "Spiegel" und "Focus" nicht gestimmt.

Wolfram Weimer ist gescheitert, weil er sich mit seinem Vorgänger Helmut Markwort, seinem Kochef Uli Baur und Teilen der Redaktion nicht verstanden hat. Vor allem Markwort hat großen Anteil an Weimers Scheitern. Er hat den "Focus" vor 18 Jahren gegründet und kann bis heute nicht davon lassen. Seit den ersten Tagen schon war Uli Baur an seiner Seite, erst als Vize, später als zweiter Chef. Markwort und Baur sind es auch, die die Krise des "Focus" zu verantworten haben. Viele Zeitungen haben den Verbraucherjournalismus mit Tabellen und Grafiken kopiert, der "Focus" hat sein Alleinstellungsmerkmal verloren.

Viel zu spät machte Markwort den Weg für einen Neuanfang frei: Seit 2010 ist er Herausgeber des Heftes. Sein Weggefährte Baur blieb. Für Weimer, der das Debattenmagazin "Cicero" vorher zum Erfolg geführt hatte, waren die Machtstrukturen ungünstig. Pikanterweise hatte Markwort noch einige Änderungen am Heft vollzogen, unmittelbar vor Weimers Ankunft in München.

Weimer führte ein Debatten-Ressort ein, gab dem Magazin ein ruhigeres Layout. Auch in Talkshows trat er als Mister "Focus" auf. Er wollte wieder zu einer konservativen Konkurrenz für den "Spiegel" werden.

Als der "Focus" in den vergangenen Quartalen wieder mehr Hefte verkaufte, sagte er, er fühle sich, als "hätte ich das Dornröschen wach geküsst". So etwas provoziert. Denn Markwort und Baur waren mit dem Kurs nicht einverstanden. Die beiden stehen nach wie vor für Nutzwert-Geschichten.

In der vergangenen Woche berichtete die "Süddeutsche Zeitung" über den "Krieg" zwischen Weimer und Baur. Es soll in einer Redaktionskonferenz zum offenen Streit gekommen sein, weil Baur den von Weimer so geliebten Kulturteil des Hefts auf eine Seite eindampfen wollte. Weimer habe die Entscheidung im Alleingang revidiert, berichtete die "SZ". Aus dem Verlag ist zu hören, dass Weimer in der Redaktion nicht besonders beliebt gewesen sei, weil er Versprechen nicht eingehalten habe. Auch schlecht verkaufte Titel gehen jetzt im Nachhinein auf sein Konto.

Was der "Focus" künftig sein wird, ist wieder völlig unklar. Bis zuletzt hatte Weimer bei den Anzeigenkunden für den "neuen Focus" geworben. Dass er jetzt weg ist, ist ein Rückschritt für den Burda-Verlag. Weimer stand für den Neuanfang. Markwort, 74, und Baur verkörperten die Vergangenheit. Ob der zweite Chefposten wieder besetzt wird, will der Verlag nicht kommentieren.

Der aktuelle "Focus"-Titel könnte auch aus den 90er-Jahren stammen: "Ich - Die beste Medizin der Welt. Das Wunder Selbstheilung." Wie ein Triumph liest sich das Editorial, das der jetzt alleinige Chefredakteur Uli Baur mit folgendem Satz beginnt: "So, jetzt können wir alle beruhigt in den verdienten Urlaub fahren."