Nach verordneter Zwangspause gastiert das Theater N.N. wieder in Blankenese - mit Georg Büchners Lustspiel “Leonce und Lena“.

Blankenese. Theater zu spielen ist oft die beste Antwort auf Unterdrückung. Georg Büchner (1813-1837) nennt zwar "Leonce und Lena" ein Lustspiel, doch er maskierte mit der unbeschwerten Komödienform eine scharfe Politsatire gegen verkalkte Machthaber, ignorante Bürokraten und den Untertanengeist des schafsherdenmütigen Volkes. Der jung gestorbene Dramatiker des Vormärz und steckbrieflich gesuchte Revolutionär erlebte die Uraufführung seines Stückes nicht mehr. Er hatte es 1836 für einen Wettbewerb der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung geschrieben, aber den Einsendetermin verpasst, sodass es erst im Nachlass erschienen ist.

Es ist sonnenklar, warum Dieter Seidel die Büchner-Komödie für das Gastspiel des Theaters N.N. im Römischen Garten ausgewählt hat. Humor und Lachen helfen, manche Hürde zu nehmen und Widerstand zu brechen. Blankeneser Nachbarn hatten mit ihren Klagen 2009 weitere Aufführungen des Picknick-Theaters auf dem Rasen verhindert. Seidel erhielt nach Lärmpegelmessungen während der "Sturm"-Vorstellungen hohe Auflagen mit angedrohten Geldbußen. Seine Interventionen bei den Behörden nützten nichts. Mit den drastisch reduzierten Aufführungstagen sah er sich nicht in der Lage, finanziell über die Runden zu kommen.

An dieser Situation hat sich auch jetzt nichts geändert. Zehn Tage lang, inklusive der drei Tage für Aufbau, technische Einrichtung und Proben darf Seidel das Gartentheater nützen. Die Produktion ermöglichte die Behörde für Kultur und Medien mit der Förderung des Büchner-Projekts. Sie gewährte 18 000 Euro aus der Projektförderung für Privattheater - allerdings mit der Auflage, dass die Vorstellungen im Römischen Garten gespielt werden.

Doch Anordnungen des Altonaer Bezirksamts erschweren weiterhin den Ablauf. Andere Ämter drohen dem Theater mit Schadenersatzforderungen. Vor diesem Hintergrund wirbt Seidel im Newsletter bei den Besuchern um Verständnis - zum Beispiel achtsam mit dem Rasen umzugehen. "Wir sind bis zu drei Monate nach unserem Auftritt haftbar zu machen", sagt er. "Die weiteren Anordnungen kommen für mich fast einem Auftrittsverbot gleich." Aber Seidel lässt sich nicht beirren und verliert weder seinen Elan noch den Humor. "Wir sind doch sehr glücklich, hier wieder in dem wunderschönen Garten spielen zu können." Auch wenn er auf eigene Kosten einen Sachverständigen vom Fachamt für Verbraucherschutz zulassen muss, der während jeder Vorstellung Schallmessungen durchführt. Es ist ein absurdes Theater, das die gegnerischen Behörden da gerade aufführen. Einer sogenannten Kulturmetropole eher unwürdig.

Eine Posse aus der kleindeutschen Provinz gibt auch der König vom Reiche Popo in Büchners Lustspiel zum Besten. Er will seinen Sohn Leonce mit der Prinzessin Lena vom Königreiche Pipi vermählen. Doch die beiden füreinander bestimmten jungen Leute nehmen vor der Zwangshochzeit Reißaus nach Italien - um sich unter südlichem Sternenhimmel ineinander zu vergucken. Als "zwei weltberühmte Automaten" verkleidet, kehrt das Liebespaar an den Hof zurück und übernimmt die Herrschaft. Büchner spitzt seine Parodie auf die gelangweilten Machthaber zu, indem er Leonce großspurig verkünden lässt, die Ordnung dem individuellen Genussleben und dem Chaos zu opfern.

Übrigens wurde "Leonce und Lena" erstmals - wie nun in Hamburg - in einer Freilichtaufführung gespielt: am 31. Mai 1895 von Max Halbes "Intimem Theater für dramatische Experimente" in München. Büchners satirisches Lustspiel ließ Halbe mit dem ebenfalls rebellischen Jungschriftsteller Oskar Panizza ("Das Liebeskonzil") als bissig-groteske Attacke auf den wilhelminischen Obrigkeitsstaat aufführen.

Von der Satire nicht weit entfernt, scheint auch das Gezänk um die Gastspiele des Theaters N.N. im Römischen Garten. Dieter Seidel und seinem Ensemble sind für die sieben Aufführungen viele mucksmäuschenstille Besucher zu wünschen. Und ein südlicher Himmel, süße Blumendüfte und ein laues Lüftchen.

Leonce und Lena , 19.30, Einlass ab 18.30, Römischer Garten in Blankenese (Bus 48 ab S Blankenese bis Strandweg), Falkensteiner Ufer 26, Karten zu 15,- bis 25,- unter T. 38 61 66 88; www.theater-nn-hamburg.de