Die “Elfen im Park“: Zehn Jahre haben Schauspieler den Wohlerspark in Altona bespielt. Nun ist es damit vorbei - wir sagen Danke, liebe Elfen.

Hamburg. Die junge Frau mit Kinderwagen guckt etwas verdattert: Auf der großen Lichtung im Herzen des Wohlersparks stehen drei Männer und machen eine eigenartige Gymnastik. Aber nein, das ist definitiv kein Tai-Chi. Sie recken die Fäuste nach oben, während ihre Knie rhythmisch federn; sie lassen ihre Becken zucken wie Michael Jackson selig und singen dazu Westernhagens testosteronsatten Song "Sexy! Ich würde alles für dich tun."

Solche und ähnliche Szenen waren in dieser Woche jeden Tag zu erleben. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die "Elfen im Park" bald wieder auftreten. Probenendspurt. Wie jeden Sommer - zur Erinnerung: Das ist die Jahreszeit, in der normalerweise so ein gelbes, rundes Dings vom Himmel brutzelt - wie jeden Sommer seit zehn Jahren also verwandelt die Schauspieltruppe das kleine Großstadtidyll zwischen Altona-Nord, Pauli und Schanze in eine Freilichtbühne.

Die Idee stammt von Saskia Junggeburth. 2001, als sie das Ensemble gründete, wohnte sie noch ganz in der Nähe. "Damals war der Wohlerspark noch ziemlich unbekannt und nur von ein paar Joggern und Schattenboxern bevölkert", sagt sie. "Als Erstes haben wir Shakespeares 'Sommernachtstraum' gespielt. Da gibt es diesen Elfenwald, in dem sich die Liebenden verirren. Dafür war der Park einfach wie gemacht - man kann sich sehr gut vorstellen, dass hier nachts merkwürdige Dinge passieren, finde ich. "

Bei Shakespeares Komödie sind die Darsteller noch mit dem Publikum durch den Park gewandert und von Baum zu Busch gezogen, um vor wechselnden Kulissen zu spielen. Das wäre heute nicht mehr möglich. Denn dazu ist der Andrang inzwischen viel zu groß.

Mit Produktionen wie "Im weißen Rössl" (2003) oder ihrem "Figaro" nach Mozart (2006) haben sich die Elfen längst ein treues Stammpublikum erspielt. "Es ist allerdings auch relativ einfach, in so einem Stadtteil einen Kult aufzubauen. Die Menschen hier sind bereit, die Dinge zu lieben, von denen sie umgeben werden", sagt Saskia Junggeburth.

Zu ihren treuen Besuchern gehören aber auch ganz junge Fans. "Wir haben hier im Laufe der Jahre Kinder groß werden sehen. Die waren vielleicht zu Anfang sieben oder acht Jahre alt und sind heute erwachsene Frauen und Männer. Ein Mädchen war so angefixt, dass die Mutter unbedingt ein Reclamheft von Büchners 'Leonce und Lena' kaufen musste - so sehr liebte es die Welt der Prinzen und Prinzessinnen."

Wenn das keine erfolgreiche Kulturvermittlung ist. Da hätte die Stadt schon einmal ein paar Mittel lockermachen können; doch außer Bezirkszuschüssen für die Werbung und ein bisschen Basisförderung gab es für die Elfen nichts zu holen. "Für die Kulturbehörde waren wir nicht Feuilleton genug, und für die anderen Töpfe nicht soziokulturell genug."

Umso wichtiger sind die Einnahmen durch die freiwilligen Spenden der Zuschauer - schließlich wird das Elfenhandwerk von professionellen Schauspielern betrieben. "Das hat auch gedauert, bis anerkannt wurde, dass wir richtige Theaterarbeit machen", meint Saskia Junggeburth, die seit Anfang des Jahres auch Programmleiterin des Logensaals in den Kammerspielen ist. Das Bild der lustigen, unbekümmerten Spaßtruppe hat sicher auch mit der Programmauswahl zu tun: Richtig schwere Kost würde einfach nicht in die Umgebung passen. Bei der aktuellen Produktion verwandeln sich die Elfen in Könige und Ritter.

"Zum Zehnjährigen wollten wir mal was Großes machen", erzählt die Regisseurin Gabriele Erler lachend, die selber auch das Stück geschrieben hat. Es trägt den Titel "Der Nibelungenclan" und verquirlt die mittelalterliche Nibelungensage mit amerikanischen TV-Serien à la "Denver" und "Dallas".

"Beim Schreiben dachte ich, diese abstrusen Familiengeschichten mit Intrigen, Tod und Leid stecken doch in beidem drin, also nehmen wir das einfach mit dazu. Und natürlich gibt es wieder viele Songs. Interessanterweise passte Westernhagen ziemlich gut - obwohl ich eigentlich gar kein Fan von ihm bin." Erzählt wird die Nibelungengeschichte übrigens nur bis zu Siegfrieds Tod. Sonst wäre der Abend viel zu lang.

Mit Siegfrieds Tod endet dann leider auch die Elfen-Saga. Nach den 15 Vorstellungen in diesem Sommer soll Schluss sein. Nicht nur der Park - inzwischen längst vom schnuckligen Geheimtipp zum Massengrillplatz avanciert -, sondern auch die Gruppe hat sich eben im Laufe der Zeit verändert, wie Saskia Junggeburth erklärt: "Das Ensemble hat einen festen Kern von sieben Leuten - und die sind natürlich alle älter geworden. Wir sind heute einfach nicht mehr die unschuldige Naive oder der junge Liebhaber. Man kann das nicht ewig so weitermachen." Und nach zwölf Jahren einfach so aufzuhören - das wäre natürlich ein sehr unrunder Schluss. "Deshalb haben wir eben schweren Herzens beschlossen, das Ganze jetzt zu beenden."

Aber erst mal steht ja noch die Nibelungen-Premiere an. Ob das Wetter mitspielt oder nicht, ist gar nicht so schlimm. Ein paar Tropfen von oben würden ja durchaus zur Stimmung passen: Bei so einem Abschied darf schließlich auch der Himmel weinen. Tschüs, liebe Elfen. Ihr seid zauberhaft!

Der Nibelungen-Clan , Premiere Fr. 22.7., 20.03, weitere Vorst. 23., 24. & 28.-31. Juli, sowie 4.-7. und 11.-14. August. Wohlerspark (Friedhof Norderreihe), Bus 15 Max-Brauer-Allee Mitte. Eintritt wie immer auf Spende. www.elfenimpark.de