Mit dem Bilkent Symphony Orchestra startet das SHMF seinen Türkei-Schwerpunkt in Kiel

Kiel. Morgenland! Wie verheißungsvoll, bunt, exotisch klingt das in westlichen Ohren! Aber wie das so ist mit Dingen, die man nicht kennt: In der Sehnsucht nach dem Fremden schwingen eine ganze Menge Klischeevorstellungen mit. Derlei Klippen haben die Redner beim Auftaktkonzert Türkei des Schleswig-Holstein Musik Festivals, kurz SHMF, souverän umschifft. Intendant Rolf Beck, der schleswig-holsteinische Kultusminister Ekkehard Klug und der türkische Botschafter Ali Ahmet Acet blieben schön nah an der politischen Wirklichkeit, indem sie einerseits die deutsch-türkische Freundschaft beschworen, aber andererseits aussprachen, dass in dem Verhältnis auch Fremdheit herrsche, und hervorhoben, wie wichtig der Dialog zwischen den Kulturen sei.

Das Konzertprogramm im Kieler Schloss unterstrich dieses Postulat mustergültig. Das Bilkent Symphony Orchestra unter der Leitung von Isin Metin näherte sich dem Verhältnis zwischen Morgen- und Abendland gleichsam von zwei Seiten und stellte türkische Kompositionen für ein westliches Sinfonieorchester der auskomponierten Orientfantasie eines abendländischen Komponisten gegenüber.

"Köcekce", eine Tanzrhapsodie des türkischen Nationalkomponisten Ulvi Cemal Erkin (1906-1972), kam gleich zur Sache und entführte das Publikum in einen Harem: Erkin ließ mal eine Oboe sich in süffiger Melancholie winden und jagte mal die Streicher durch rasende Passagen voller Rhythmuswechsel, begleitet von dem fortwährenden Klingeln der Fingerzimbeln, einer Art Messingkastagnetten, die beim Bauchtanz eingesetzt werden.

Sabine Meyer brachte das Klarinettenkonzert "Khayyam" von Komponist und Pianist Fazil Say zur Uraufführung, ein Auftragswerk des Festivals. "Erzählendes Solokonzert" nennt der Komponist das Werk, eine tönende Biografie des persischen Dichters Omar Khayyam. Wie so oft gelang es Say auch hier, das musikalische Idiom seines Landes in eine für westliche Hörer unmittelbar verständliche Tonsprache zu übertragen. Man sah geradezu Bilder vor dem inneren Auge, so vielfältig waren Says Ausdrucksmittel, so gegenständlich war die Musik angelegt - ob sie im Volkston schwelgte oder seelische Qualen in Synkopen und jähe Intervallsprünge fasste.

In Sabine Meyer hatte Say eine begnadete Erzählerin. Jede Wendung hatte Sinn in ihrem Spiel; sie zauberte Piani und machte Kammermusik, wo sie konnte. Leider half ihr Metins unklares Dirigat nicht dabei. Zahlreiche Einsätze verwackelten, und die vertrackten Rhythmen musste Meyer alleine entschärfen.

Da wurde der Blick in die Gegenrichtung mit Nikolai Rimsky-Korssakows berühmter sinfonischer Suite "Scheherazade" reichlich zäh. Kaum ein Piano war wirklich leise, geschweige denn aufregend, die Holzbläser intonierten trübe, und die Farben der Streicher blieben unspezifisch, so als hätte Dirigent Metin keine konkrete musikalische Vorstellung. Das war schade. Denn von dem engagiert spielenden Orchester hätte man gerne mehr gehört: mehr Extreme, mehr Ausdruck, kurz: mehr Botschaft.