Himalaja, Patagonien, Tonga: Das Mitteilungsbedürfnis des Moderators und Autors Roger Willemsen ist groß: Er liest aus seinen Reisegeschichten.

Ernst-Deutsch-Theater. Auch er ist nur ein Mensch mit Doktortitel. Vor allem aber ist er ein weit gereister Mann: Roger Willemsen, einst Student der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn, Florenz, München und Wien, hat über die Dichtungstheorie des österreichischen Schriftstellers Robert Musil promoviert. Obschon seit dem Vorjahr Honorarprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, ist der gebürtige Rheinländer eher ein Mann der Praxis. Ein Intellektueller für die Massenmedien.

Und sein Mitteilungsbedürfnis ist unverändert groß. Während der frühere Grimme-Preisträger als Fernsehmoderator nicht mehr präsent ist, sucht Willemsen als Autor erst die Ruhe des Schreibens ("eine völlig versunkene Tätigkeit"), um seine Werke dann lesend auf die Bühne zu bringen. Mit "Der Knacks" landete er vor drei Jahren einen Bestseller. In dem Buch schilderte er - durchaus mit biografischen Zügen - noch vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise, wie beim Einzelnen die innere Sicherheit mehr und mehr schwindet, wenn äußerliche Ordnungsmuster und scheinbare Gewissheiten verloren gehen. 2008 füllte Willemsen unter dem Titel "Mein Ehrenwort" auch das Thalia-Theater bis auf den letzten Platz. Zur Seite stand ihm damals Kabarett-Legende Dieter Hildebrandt, gemeinsam klärten sie das Volk über "Die Weltgeschichte der Lüge" auf.

Das jüngste Werk des Bonner Vielschreibers heißt "Unterwegs". Es ist eine musikalisch-literarische Reise um die Welt und fußt auf seinem 2010 erschienenen Buch "Die Enden der Welt". Als Koproduktion mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival ist es heute Abend im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater zu erleben.

Alle fünf Kontinente hat Willemsen in den vergangenen 30 Jahren bereist. Der Ruf des einfühlsamen Frauenverstehers haftet ihm an wie Michael Ballack das Image des ewigen Zweiten. Und genauso allein wie beim Schreiben ist Willemsen auf Reisen. Die entlegensten Winkel der Welt waren ihm dafür gerade recht: Himalaja, Patagonien, Tonga. Aber es sind auch ganz individuelle Anlaufpunkte, die er beschreibt: ein Bett im weißrussischen Minsk, ein Fresko des Jüngsten Gerichts im italienischen Orvieto und eine Behörde im vom Krieg zerrütteten Kongo. Bei aller Tragik kann das durchaus amüsant sein. Weil es von Willemsen selbst vorgetragen wird. Die Anekdoten haben es ihm angetan.

Das macht ihn für seine Verehrer(-innen) im Theater zu einem literarischen Entertainer; das leicht Nasale in seiner Stimme mag dazu beitragen. Damit zwischen den gesetzten Worten auch etwas Luft zum Atmen bleibt, sitzt dem NDR-Klassik- und Jazz-DJ ("Willemsen legt auf") heute eine Begleiterin auf der Bühne zur Seite: Olena Kushpler sorgt am Klavier mit Stücken von Ravel, Skrjabin oder Mompou für musikalische Intermezzi. Auch das soll die Besucher zu der einen oder anderen Entdeckungsreise animieren.

Beim Schleswig-Holstein Musik Festival war Willemsen übrigens vor vier Jahren schon mal Teil des Programms. Unter dem Titel "Ein Schuss, ein Schrei - das Meiste von Karl May" hatte Willemsen für einen Auftritt in Haseldorf 23 Gedichte aus Geschichten vom "Schatz in Silbersee" bis "Winnetou" geformt. So weit reimen und reisen braucht der Wahlhamburger heute nicht: Ins Ernst-Deutsch-Theater könnte er aus seinem Stadtteil Hohenfelde praktisch zu Fuß kommen. Manchmal liegt das Gute so nah.

Unterwegs Roger Willemsen (Rezitation) Olena Kushpler (Klavier), heute, 20.00, Ernst-Deutsch-Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 10,- bis 39,- unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de