Als erste Hochsee-Paddlerin will die Husumerin Freya Hoffmeister Südamerika umrunden - rund 22.000 Kilometer in drei Etappen, ganz allein.

Schnörkellos und geradeaus: Die Husumerin Freya Hoffmeister, 47, redet, wie sie ist: direkt. Ihr Körper ist in beneidenswerter Form, trainiert für ihre größte Herausforderung. Bevor sie am 12. August zu ihrem Abenteuer nach Buenos Aires aufbricht, erzählt die Extremkajakfahrerin im Abendblatt, warum sie dieses Wagnis eingeht. Von der argentinischen Hauptstadt aus startet sie zur ersten Etappe ihrer wahnwitzigen Paddeltour.

Hamburger Abendblatt : Frau Hoffmeister, wie sehr hängen Sie eigentlich am Leben?

Freya Hoffmeister: Sehr, warum?

Wer allein um Südamerika herumpaddeln will, könnte ja lebensmüde sein.

Hoffmeister: Das Gegenteil ist der Fall. Ich hänge sehr an meinem Leben und will von meinen Reisen gesund zurückkehren.

Warum gehen Sie solch ein Wagnis ein?

Hoffmeister: Warum steigen Menschen auf Berge?

Warum?

Hoffmeister: Weil sie da sind. Reinhold Messner wird doch auch nicht dauernd gefragt, warum er in den Himalaja geht.

Dennoch wäre es interessant, Ihre persönliche Motivation zu erfahren.

Hoffmeister: Es gibt keinen tieferen Sinn. Nennen Sie es sportlichen Ehrgeiz. Und im Grunde ist die Erklärung ganz einfach: Nachdem ich im Jahr 2010 allein um Australien gepaddelt bin, war das schwer steigerungsfähig. Und es gibt auf der Welt nun mal nicht so viele Inseln. Gut, da sind Tasmanien oder Irland - anspruchsvolle Reviere für gut trainierte Kajakfahrer. Aber diese Touren reizen mich nicht. Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Darum soll es jetzt der nächste Kontinent sein. Aber vielleicht paddel ich zum Aufwärmen ja einmal um Irland.

Und einmal rund um Südamerika: Wie viele Kilometer sind das ?

Hoffmeister: Etwa 22 000. Genau weiß man das vorher jedoch nicht, wie Australien gezeigt hat.

Bei Ihrer Australien-Runde sind Sie knapp 14 000 Kilometer in 332 Tage gepaddelt. Wie viel Zeit planen Sie für Südamerika ein?

Hoffmeister: Drei Jahre. Ich habe den Trip in drei Etappen geteilt und möchte pro Törn sieben bis acht Monate unterwegs sein. Im Uhrzeigersinn geht es erst von Argentinien nach Chile, von Chile weiter durch den Panamakanal nach Guyana und von dort zurück nach Argentinien. Vor meinem 50. Geburtstag 2014 will ich fertig sein.

Werden Sie auch Kap Hoorn umrunden?

Hoffmeister: Das hängt davon ab, ob ich die Genehmigungen bekomme. In Südamerika braucht man für alles Genehmigungen. Wahrscheinlich braucht man fürs Kap ein Begleitboot, was mir gar nicht passt, weil ich lieber alleine fahre. Bezahlen kann und will ich es auch nicht. Letztlich bleibt es aber auch eine komplette Umrundung des Südamerikanischen Kontinents - ob ich um Kap Hoorn fahre oder durch die Magellanstraße. Für mich ist sowieso viel spannender, dass ich insgesamt zwölf Länder bereise, in denen meistens wenig Englisch gesprochen wird. In Australien war das einfacher.

Wie bereiten Sie sich auf den Trip vor?

Hoffmeister : Am Schreibtisch.

Wie bitte?

Hoffmeister: Für mich ist die Logistik das Anstrengendste. Mein Boot muss verschifft werden, ich muss mir aus fast allen Ländern Genehmigungen besorgen und brauche Karten für die Küste. Außerdem müssen meine Eisläden in Husum weiterlaufen.

Sie haben einen 15-jährigen Sohn. Was sagt der dazu?

Hoffmeister: Ach, der nimmt das relativ gelassen. Und nachdem er gesehen hat, dass ich jetzt viele Vorträge über meine Australienumrundung halte, ist er auch stolz auf mich.

Hat er keine Angst um Sie?

Hoffmeister: Nein. Gar nicht. Ich kann mir vorstellen, dass das in der Familie liegt. Sein Vater ist Kampfschwimmer, und auch Helge, mein Sohn, ist mental wie körperlich solide gebaut. Angst hat er jedenfalls nicht um mich.

In Australien waren Sie in Lebensgefahr.

Hoffmeister: Na ja, wie man's nimmt, aber es war schon mehr als einmal etwas gefährlich.

Was ist damals passiert?

Hoffmeister: Am Steilküstenabschnitt Zuytdorp Cliffs überraschte mich zum Beispiel ein Starkregen, nachts. Der Wind blies plötzlich mit 40 Knoten, was kein Wetterbericht vorhergesehen hatte. Die Nacht war schwarz, ich habe die Hand vor Augen nicht gesehen, und es ging nur darum, nicht zu kentern. Bei einem tosenden Ozean mit vier Meter hohen brechenden Wellen und einer schroffen Küste ohne Landemöglichkeit war das kein Spaß.

Wie haben Sie überlebt?

Hoffmeister: Ich habe den "Survival Mode" eingeschaltet. Vier Stunden lang habe ich mir Mantra-artig gesagt: "Survival Mode, Survival Mode, Survival Mode!" Dabei schlug mir das Wasser ins Gesicht, im Sekundentakt musste ich die Brecher parieren, oberstes Ziel war, nicht zu kentern. Und ich bin glücklicherweise nicht gegen die Steilküste gedrückt worden.

Waren Sie auch mal schwimmen?

Hoffmeister: Australien ist berüchtigt für seine Tierwelt. Es gibt besonders im Norden viele Seeschlangen, giftige Quallen, Salzwasserkrokodile und Haie. Tatsächlich war ich während der gesamten Tour sehr wenig schwimmen. Und erstaunlicherweise haben mich die Haie weitestgehend in Ruhe gelassen. Im Norden haben sie zwei- bis dreimal pro Tag mein Boot gerammt, aber das war's auch. Nur an der Westküste spürte ich einmal plötzlich einen heftigen Schlag am Heck. Dass ein Hai die komplette hintere Kammer mit seinem Maul unter Wasser gesetzt hat, habe ich erst registriert, als ich einen Zahn auf dem Deck fand. Es war auch der einzige Moment, in dem ich gedacht habe: Vielleicht ist die Reise das Risiko nicht wert.

Das war aber nicht das einzige Wagnis, oder?

Hoffmeister: Generell sollte man in der Krokodilzone vermeiden, in Flussmündungen zu paddeln, um seine Frischwasservorräte aufzufüllen. Ein Knackpunkt war außerdem der Golf von Carpentaria, eine ziemlich große Bucht - die Zahnlücke der australischen Küste. Dort hieß es: entweder 575 Kilometer übers offene Wasser oder den langen Weg entlang der Küste und abends neben Krokodilen schlafen.

Und?

Hoffmeister: Ich bin ein Typ, der gern den direkten Weg von A nach B wählt. Also bin ich über hohe See gepaddelt. Einziger Nachteil war, dass ich sieben Nächte auf hoher See schlafen musste.

Wie geht das in einem Paddelboot?

Hoffmeister : Ich habe mir aus Paddeln und Auftriebskörpern eine stabile Schlafplattform gebaut. Mit ausgebreiteten Armen habe ich halb sitzend, halb liegend mit dem Oberkörper auf dem Achterdeck gelegen. Wie Jesus am Kreuz. Ich kann aber auch bei Seegang sehr gut wegnicken.

Haben Sie viel geschlafen in der Zeit ?

Hoffmeister: Ich habe in Zwei-Stunden-Einheiten geschlafen. Dann das GPS gecheckt sowie die allgemeine Lage - und wieder weitergeschlafen. Quantitativ immer genug bei zwölf Stunden Dunkelheit auf dem Wasser, qualitativ war das jedoch sehr gemischt.

Wenn nicht auf See - wo haben Sie sonst für gewöhnlich übernachtet?

Hoffmeister: Meistens im Zelt, aber es gab auch immer wieder nette Leute, die mich aufgegabelt und zu sich nach Hause eingeladen haben.

Ist so ein Wahnsinnstrip mehr körperliche oder mehr mentale Belastung?

Hoffmeister : Beides. Ich glaube, mentale Stärke ist entscheidend. Da ich physisch wie psychisch robust gebaut bin, war das ein lösbares Problem.

Haben Sie gar nicht körperlich gelitten?

Hoffmeister: Bei Muskeln und Sehnen gab es keine Probleme. Ich hatte aber besonders im Norden starke Hautausschläge auf einer ziemlich unattraktiven Rückseite. Bei ständigem Salzwasserkontakt und tropischer Hitze heilt das ganz schlecht. Irgendwann habe ich mitbekommen, dass ich meine Lycra-Klamotten nicht vertrage. Von da an habe ich nur noch Fleece getragen.

Im Süden Südamerikas werden Sie sich wärmer anziehen müssen.

Hoffmeister: Ja, da heißt die Klamottenwahl wohl Trockenanzug. Darum freue ich mich, wenn es wieder Richtung Äquator geht. Den überquere ich ja zweimal.

Afrika wäre durchgängig wärmer gewesen. Warum nicht Afrika?

Hoffmeister: Weil Afrika politisch unglaublich instabil und die Infrastruktur leider sehr schlecht entwickelt ist. Dort hätte ich ernsthaft Angst um mein Leben. Im Zelt am Strand übernachten ist dort einfach nicht drin.

Werden Sie in Südamerika Ihre Nächte wieder im Zelt verbringen?

Hoffmeister: Überwiegend. Auch dort gibt es natürlich kritische Länder, aber zum Glück weniger gefährliche Tierchen. Venezuela oder Kolumbien werden zum Beispiel spannend. Da muss ich mich aber noch mal genau informieren, eventuell vorab Schlafgelegenheiten abklären. Ansonsten entscheide ich das jeweils nach Bauchgefühl.

Haben Sie bei so einer Tour eigentlich einen Blick für die Schönheiten der Küstenlandschaft?

Hoffmeister: Das kommt darauf an, wie weit ich von der Küste weg auf dem offenen Meer paddel. Es ist natürlich unterhaltsamer, nahe am Strand zu paddeln, aber bei einer Umrundung ist dies nicht immer möglich oder der schnellste Weg. In Australien wählte ich immer den schnellsten Weg von A nach B. Am Ende war ich dann auch noch schneller als Paul Caffyn, der 1981 genau 361 Tage für die Umrundung brauchte. Südamerika hat noch niemand umrundet, da werde ich aber auch ein sinnvolles Tempo anschlagen, sonst verliert man den Fokus auf das Ziel. Denn auf Dauer ist der mentale Input bei so einer Reise zu gering. Einige Tage sind, ehrlich gesagt, stinklangweilig. Da heißt es dann durchhalten und weitermachen!

Kommen wir zu Ihrem Boot: Besitzt es irgendwelche Sonderausstattungen?

Hoffmeister: Nein. Es ist das gleiche Modell wie bei meiner Australien-Runde, allerdings ein neues. Da passen etwa 75 Kilogramm Gepäck hinein, 25 Kilogramm wiegt das Boot selbst.

Wie sieht Ihre Ausrüstung aus?

Hoffmeister: Sie besteht hauptsächlich aus Essen, Wasser, Klamotten, meinem Zelt, einem GPS-Gerät, Kartenmaterial und einem Satellitentelefon. Wobei die Telefonie in Australien einfacher war. Vermutlich werde ich mir in Südamerika pro Land eine Handy-Prepaidkarte besorgen müssen, um in Kontakt zu bleiben.

Wie halten Sie Kontakt?

Hoffmeister: Größtenteils mit Satellitentelefon. Ich aktualisiere meinen Internetblog dann - wie schon in Australien - über Kontaktpersonen. Wo ich einen Zugang zum Internet finde, aktualisiere ich natürlich selbst. Ich hoffe, mein Modem wird mit den lokalen Prepaidkarten ins Internet gehen. Überraschenderweise war das Handynetz in Australien recht gut.

Gibt es eigentlich einen Notfallplan? Ich meine, Sie sind ganz allein da draußen.

Hoffmeister : Ich habe einen EPIRB. Damit kann ich im Extremfall über Satellit einen Notruf aussenden. Und wenn denn dann auch noch einer kommt ...

Warum lassen Sie sich nicht einfach begleiten?

Hoffmeister: Ich möchte auf ein Begleitboot oder -fahrzeug auf jeden Fall verzichten. Noch mal: Ich bin einfach lieber allein unterwegs und unabhängig. Da muss man Aufwand und Nutzen auch abwägen. Und ich werde das alles auch allein schaffen - ich tue alles, um Risiken zu vermeiden.