Die Aggressionen gegenüber Frauenfußball sind begründet in Angst vor Männlichkeitsverlust und in Homophobie. Ein Standpunkt.

Hamburg. Viele Männer haben es derzeit nicht leicht. Da läuft nun jeden Abend etwas live im Fernsehen, das überhaupt nicht in ihre Welt passt: Frauen, die Fußball spielen. Frauen, die in deutschen Nationaltrikots um die Weltmeisterschaft kämpfen. Und noch schlimmer: Bis zu 18 Millionen schauen zu. Und darunter sind bestimmt nicht nur Frauen und Kinder. Das macht diese Männer böse - und unsicher.

Und was machen Männer, die böse und unsicher sind? Sie suchen die Nähe anderer ebenso böser und unsicherer Männer. Sie rotten sich zusammen, machen abfällige Handbewegungen, gähnen und blinzeln sich dabei kumpelig zu. Sie freuen sich über jeden noch so kleinen Fehlpass und lachen miteinander - als sei jedes Männerfußballspiel FC Barcelona gegen die spanische Nationalmannschaft. Oder sie setzen sich - wie Rolf Töpperwien und Uli Stein - zu Frank Plasberg ins Fernsehstudio und diskutieren hart, aber fair über die Frage "Müssen jetzt alle Frauenfußball gut finden?". Verschwörungstheoretiker zweifeln gar daran, dass die Quoten korrekt erhoben werden, denn was nicht sein darf, kann ja auch nicht sein.

Allen Reaktionen gemeinsam ist, dass sie selten ohne Emotionen oder Aggressionen auskommen. Niemand muss Frauenfußball gut finden, jeder kann sagen, dass er (oder sie) Frauen nicht Fußball spielen sehen möchte - oder gar, dass Männer das besser können. Die schlichte Abneigung ist nichts, worüber man viele Worte verlieren müsste - die Vehemenz der Gefühle hingegen ist äußerst interessant. Und für die gibt es mindestens zwei Gründe.

Der erste: Männer haben heutzutage nicht mehr viel, das exklusiv für "Männer" reserviert ist. Frauen können heute so ziemlich alles werden: von KfZ-Mechanikerin bis Kanzlerin. Fußball ist die letzte Bastion. Sie wird zwar auch nach der Weltmeisterschaft nicht gefallen sein, wenn sich nur noch wenige für Frauenfußball interessieren werden - aber bei all dem Hype sieht es derzeit aus, als würde sie wanken.

Fußball ist in Deutschland Männersache - wie Kriege. Nicht umsonst war und ist der Gewinn der WM 1954 ein Gründungsmythos der Bundesrepublik. Elf Männer haben gerade gerichtet, was zuvor Millionen Männer angerichtet hatten. Wir waren wieder wer.

Der zweite Grund, und der hängt mit dem ersten zusammen: Wenn gesagt wird, Fußball sei Männersport, dann bedeutet das oft eigentlich: "ein Sport für echte Männer". Mit Umgrätschen, auf dem Boden wälzen, Zulangen - und somit das Gegenteil von "du spielst ja wie ein Mädchen". Wenn diesen Sport Frauen so öffentlich und bejubelt wie zurzeit ausüben, kratzt das an der Männlichkeit. Und dann geht es um mehr als fest zementierte Rollenbilder - es geht um das Grundverständnis von Geschlechtern (und dabei stets nicht nur unterschwellig um Sexualität).

"Das sind doch gar keine richtigen Frauen, die Fußball spielen" beinhaltet die Zuschreibung, was richtige Frauen sind. Und die geht darüber hinaus, dass sie nicht Fußball spielen. Wenn umgekehrt Männer, die gegen den Ball treten, in den Köpfen vieler Vertreter eines "echten Männersports" sind, wie es derzeit so offensichtlich wird, bleibt weitergedacht nur ein Schluss und eine Warnung übrig: Jeder schwule Mann, der mit einer gewissen Prominenz Fußball spielt, sollte seine Homosexualität tunlichst für sich behalten.

Die aggressive Antipathie gegenüber den Fußballfrauen steht stellvertretend für die Abneigung vieler Männer gegenüber homosexuellen Fußballspielern. Das ist bitter. Denn die Frauen-WM wird bald vorbei sein, die bösen, unsicheren Männer werden bleiben.