Die Enquetekommission “Internet“ vertagt sich im Streit

Berlin. Als das außerplanmäßige Mittagessen einberufen wurde, wussten alle, dass etwas nicht stimmte. Es war kurz vor zwölf, eigentlich perfekte Pausenzeit, doch die Tagesordnung sah Arbeit vor. Die 34-köpfige Enquetekommission "Internet und digitale Gesellschaft" hatte sich in Sitzungssaal E400 im Berliner Paul-Löbe-Haus zusammengefunden. Seit Mai 2010 arbeitet sie an Handlungsempfehlungen für den Bundestag, um Politik und Gesellschaft fit zu machen fürs digitale Zeitalter. Gestern sollten Zwischenberichte verabschiedet werden. Doch mitten in der Diskussion begaben sich Politiker von Union und FDP nach kurzer Ankündigung zu Tisch.

Zuvor war bei den Abstimmungen über einzelne Punkte zum Thema Urheberrecht etwas passiert, was die Regierungsparteien im Bundestag in dieser Legislaturperiode so noch nicht erlebt haben: Ihre eigenen Experten - die Enquetekommission besteht aus 17 Politikern und ebenso vielen von den Parteien ausgesuchten Sachverständigen - haben plötzlich für Anträge von SPD, Grünen und Linken gestimmt. Und als die Koalition eine Niederlage nach der anderen einfuhr, gab es offenbar Beratungsbedarf, der in besagtem Mittagessen mündete. "Das Abstimmungsverhalten ihrer eigenen Leute hat die Kollegen von Union und FDP wohl nachdenklich gemacht", sagte SPD-Politikerin Aydan Özoguz nach dem Treffen. Die Hamburger Bundestagsabgeordnete ist für ihre Partei Mitglied der Enquetekommission. Anders als geplant, wurde gestern Nachmittag dann kein weiterer Punkt mehr beschlossen. "Nach dem Essen hieß es dann auf einmal, die Texte seien widersprüchlich, und man müsse die Abstimmung vertagen", so Özoguz. Und auch Sachverständige gingen auf die Barrikaden. Das ganze Abstimmungsverfahren sei zu kompliziert. Das alles koste "unser aller Lebenszeit", sagte einer. Man habe "Besseres zu tun".

Zwei umstrittene Aspekte werden jetzt erst im Herbst beraten: Datenschutz und Netzneutralität. Bei Letzterem geht es um die Frage, ob alle Datenpakete im Netz gleich behandelt werden sollen oder ob einige priorisiert verschickt werden dürfen. Weil diese Frage noch in diesem Jahr auch bei der Reform der Telekommunikationsgesetze ansteht, wird das Signal der Enquete mit Spannung erwartet.

Beim Urheberrecht - wo sich nun vor allem Rot-Grün durchgesetzt hat - rät die Kommission Musiklabels und Filmproduzenten, im Kampf gegen Raubkopierer auf Kampagnen nach dem Motto "Raubkopierer sind Verbrecher" zu verzichten. Diese sollten Werbebotschaften weichen, in denen über die "Rechte im digitalen Raum" aufgeklärt werde. Auch eine sogenannte Kulturflatrate solle "ergebnisoffen" geprüft werden. Die Idee dabei: Abgaben auf Internet- und Telefonverträge könnten Lücken in den derzeitigen Bezahlmodellen stopfen. Die Empfehlungen der Enquete sind nicht bindend und haben nur beratenden Charakter.